Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
noch niemals einem Kind wehgetan. Die Vermutung, er könne …«
»Und wenn man ihn dazu zwingt?«, fragte die Frau eindringlich.
»Ihn zwingt?«, quiekte Surreal. » Ihn zwingt? Beim Feuer der Hölle, wer wird denn dumm genug sein, ihn zu etwas zwingen zu wollen? Hast du eine Ahnung, was er mit Leuten anstellt, die ihn zu etwas drängen?« Surreal leerte die Tasse und schenkte sich nach. »Mal abgesehen davon, wer hat überhaupt ein Interesse daran, dieses Kind zu vernichten?«
»Dorothea SaDiablo.«
Surreal stieß eine Serie von Flüchen aus. Erst als sie die amüsierte Verblüffung in der Miene ihres Gegenübers gewahrte, hörte sie auf. Sie nahm einen weiteren Schluck und fluchte erneut, da ihr Zorn den Brandy so schnell verbrannte, dass sich nicht einmal der kleinste Rausch einstellte.
Nachdem sie die Tasse auf die Tischplatte geschmettert hatte, fuhr sie sich mit den Händen durch das Haar. »Du verstehst es wirklich, jemanden zu überraschen, was?« Sie starrte die Frau wütend an. Beinahe hätte Surreal sie mit dem Messer angegriffen, doch als sie die Tränen und den Schmerz – und die Angst – in den smaragdgrünen Augen der anderen sah ...
Titian mit aufgeschlitzter Kehle auf dem Boden, während die Wände ihr zuriefen: Lauf, lauf, lauf!
»Ich schulde ihm etwas, verstehst du? Er hat sich um meine Mutter gekümmert und um mich. Er musste es nicht tun, doch er tat es. Aber ich werde ihn finden. Danach sehen wir weiter.« Surreal erhob sich. »Danke für den Tee.«
Die Frau wirkte beunruhigt. »Was ist mit den Angehörigen deiner Mutter?«
Surreal begegnete ihrem Blick. »Falls ich wiederkomme, können wir Informationen austauschen. Doch einen Rat gebe ich dir gratis: Treib keine Spielchen mit Sadi. Er hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis und ein sehr aufbrausendes Temperament. Wenn du ihm Anlass dazu gibst, wird er dich in den Staub treten. Ich finde allein hinaus.«
Nachdem Surreal die heilige Stätte verlassen hatte, sprang sie auf einen Wind auf, der sie an Chaillot vorbei bis weit über das Meer trug, der untergehenden Sonne dicht auf den Fersen. Sie ließ sich so lange treiben, bis sie erschöpft genug war, um zu Dejes Haus zurückzukehren und zu dem Mann höflich zu sein, mit dem sie heute Abend ins Bett steigen sollte – wer auch immer es sein mochte.
5Hölle
S aetan spielte mit dem silbernen Brieföffner, den Rücken dem Mann zugedreht, der an der Tür seines Arbeitszimmers stand. »Ist es erledigt?«
»Vergib mir, Höllenfürst«, erklang ein raues Flüstern. »Ich konnte es nicht tun.«
Den Bruchteil einer Sekunde war Saetan sich nicht sicher, ob er verärgert oder froh war, bevor er sich Marjong dem Vollstrecker zuwandte. Saetan lehnte sich gegen den Ebenholzschreibtisch und musterte den hünenhaften Mann, dessen Kopf und Schultern immer von einer schwarzen Kapuze verhüllt waren.
»Er befindet sich in jener vernebelten Stadt, Höllenfürst«, brachte Marjong entschuldigend hervor, wobei er seine gewaltige, doppelköpfige Axt von einer Hand in die andere gleiten ließ. »Ich konnte nicht zu ihm vordringen, um deinen Wunsch auszuführen.«
Daemon befand sich also in Beldon Mor.
»Ich kann warten, Höllenfürst. Wenn er aus der vernebelten Stadt abreist ...«
»Nein.« Saetan atmete tief durch. »Nein, unternimm nichts, solange ich es nicht ausdrücklich angeordnet habe. Verstanden?«
Marjong verneigte sich und verließ das Arbeitszimmer.
Mit einem müden Seufzen sank Saetan in seinen Sessel zurück und ließ den Brieföffner langsam auf dem Tisch kreisen. Dann hob er ihn hoch und betrachtete die dünne Rabenglasklinge und den wunderschön verzierten, silbernen Griff. »Ein wirksames Werkzeug«, sagte er leise, indem er den Brieföffner auf den Fingerspitzen balancierte. »Elegant und wirksam. Doch wenn man nicht aufpasst …« Er drückte einen Finger gegen die Spitze der Klinge und beobachtete, wie sich an der Stelle ein Blutstropfen bildete. »Wie du, Namensvetter. Wie du. Das Spielfeld gehört jetzt uns. Uns beiden ganz allein.«
6Terreille
D aemons Tage wurden zur Routine. Jeden Morgen stand er früh auf, trainierte, duschte und frühstückte dann gemeinsam mit der Köchin in der Küche. Er mochte die Köchin der Angellines, eine lebhafte, warmherzige Frau, die ihn an Manny erinnerte – und die mit demselben Entsetzen reagiert hatte, das auch Manny an den Tag gelegt hätte, als er ihr Einverständnis erbat, die erste Mahlzeit des Tages in der Küche statt im
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