Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
stellte er sich das Mädchen Stück für Stück vor. Während er sich darauf konzentrierte, sich die Kleine ins Gedächtnis zu rufen, ließ das Feuer in seinem Innern allmählich nach. Bis er sich der saphirblauen Augen entsann, die seinen Blick erwidert hatten.
Daemon stieß ein hysterisches Lachen aus, während ihm die Tränen das Gesicht hinabliefen.
Er hatte akzeptiert, dass Hexe noch ein Kind war, doch er war nicht auf seine eigene Reaktion bei ihrem ersten Anblick gefasst gewesen. Natürlich wollte er nicht den Körper des Kindes, doch sein übermächtiges Verlangen, in der Nähe von Hexe zu sein, ihre Gegenwart zu spüren, machte ihm Angst. Der Gedanke, an einen anderen Hof geschickt zu werden und sie überhaupt nicht mehr sehen zu können, ängstigte ihn noch mehr.
Doch es war Jahrzehnte her, dass er länger als ein Jahr an ein und demselben Hof gedient hatte. Wie sollte er diesen Tanz fortführen, um bei ihr bleiben zu können?
Und wie sollte er es überleben, falls er fortgeschickt würde?
2Terreille
F rüh am nächsten Morgen taumelte Daemon in die Küche, die Augen müde und verklebt von einer schlaflosen Nacht. Sein Magen schmerzte vor Hunger. Nachdem er gestern die Bibliothek verlassen hatte, war er auf seinem Zimmer geblieben, da er weder mit der Familie hatte zu Abend essen noch irgendjemandem auf dem Weg zur Küche hatte begegnen wollen.
Als er die Küche betrat, hörte das gedämpfte Kichern dort auf der Stelle auf, während zwei sehr unterschiedliche blaue Augenpaare beobachteten, wie er sich näherte. Die Köchin, die glücklicher wirkte, als er sie je gesehen hatte, begrüßte ihn herzlich und verkündete, dass der Kaffee gleich fertig sei.
Daemon bewegte sich vorsichtig und ließ sich an einem Ende des Küchentisches zu Jaenelles Linken nieder. Bedauernd fiel sein Blick auf die Überreste eines eindrucksvollen Frühstücks und das einzige Stück Nussstollen, das auf dem Teller übrig war.
Es folgte ein betretenes Schweigen, bis Jaenelle sich zu Wilhelmina hinüberlehnte und ihr etwas zuflüsterte. Wilhelmina wisperte etwas zurück und das Gekicher fing von vorne an.
Daemon griff gerade nach dem Nussstollen, als sich Jaenelle ohne hinzusehen das Stück nahm. Sie wollte eben davon abbeißen, als die Köchin die Tasse Kaffee auf den Tisch stellte.
»Und was soll nun der Prinz frühstücken, wenn ich mal fragen darf?«, wollte sie wissen, doch in ihren Augen funkelte der Stolz über die leeren Teller.
Nachdem Jaenelle den Stollen betrachtet hatte, legte sie ihn zögernd auf den Teller zurück und schob ihn Daemon zu.
»Ist schon gut«, meinte Daemon sanft, wobei er die Köchin ansah. »Ich habe gar keinen Hunger.«
Erstaunt öffnete die Köchin den Mund, schloss ihn dann jedoch wieder geräuschvoll und ging kopfschüttelnd an ihren Arbeitstisch zurück.
Jaenelle brach den Nussstollen entzwei und reichte ihm eine Hälfte mit einer Geste, die, obwohl sie nicht von Worten begleitet wurde, einem Befehl gleichkam. Dann begann sie, die andere Hälfte zu essen.
»Esst euch tagsüber nicht allzu satt«, sagte die Köchin freundlich, während sie an ihrem Arbeitstisch herumhantierte. »Heute Abend gibt es Keule.«
Überrascht blickte Daemon auf, als Jaenelle der Stollen aus der Hand fiel. Noch nie hatte er jemanden derart totenblass werden sehen. Ihre Augen, riesige, unberührte Seen, starrten ins Leere, während sie heftig würgte.
Daemon stieß den Stuhl zurück, um sie packen und zur Spüle bringen zu können, falls sie sich übergeben musste. »Magst du kein Lamm, Lady?«, fragte er leise.
Langsam wandte sie ihm den Kopf zu. Am liebsten hätte er laut geschrien, als er den Schrecken in ihrem Antlitz sah. Sie blinzelte, sichtlich bemüht, ihre Selbstbeherrschung wiederzuerlangen. »La ... Lamm?«
Sanft legte Daemon eine Hand über die ihre. Ihr Griff war überraschend stark, fast schmerzhaft. Sie wich seinem Blick nicht aus und er spürte, dass ihre Augen ihn völlig verwundbar machten. Er konnte sich nicht verstellen. »Lamm«, sagte er beruhigend.
Jaenelle ließ seine Hand los und wandte den Blick ab, was Daemon leise erleichtert aufseufzen ließ.
Da sprach Jaenelle zu ihrer Schwester: »Hast du Zeit für einen Spaziergang im Garten, bevor du zu Graff musst?«
Wilhelmina warf Daemon einen raschen Blick zu. »Ja, ich gehe fast jeden Morgen spazieren.«
Bevor Wilhelmina auch nur ihren Stuhl zurückgeschoben hatte, war Jaenelle von ihrem Stuhl gesprungen, hatte sich ihren Mantel
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