Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
möchtest du wirklich nicht.« Dann lächelte sie ihn unsicher, aber verschmitzt an. »Vermutlich hast du dann auch keine Lust, mir trotzdem zu helfen? «
Beim Feuer der Hölle! All die Zeit, die er sie in der Kunst unterrichtet und versucht hatte, einen ihrer eigenartigen Zauber im Nachhinein zu entschlüsseln, hatte er auf nichts weiter als eine derartige Einladung gewartet.
»Leider gibt es da etwas anderes, das wir zu besprechen haben«, sagte er mit einem wehmütigen Unterton in der Stimme.
Jaenelle setzte sich mitten in die Luft, legte die Fersen auf die unsichtbare Sprosse eines ebenso unsichtbaren Hockers und schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit.
Zu spät fiel ihm ein, wie zermürbend es sein konnte, im Zentrum von Jaenelles ungeteilter Aufmerksamkeit zu stehen.
Saetan räusperte sich und ließ seinen Blick in der Hoffnung auf eine Eingebung durch den Raum schweifen. Vielleicht war ihr Arbeitsraum mit den Werkzeugen und Utensilien ihrer Kunst sogar der beste Ort für dieses Gespräch.
Er trat in das Zimmer und lehnte sich gegen den Türrahmen. Ein guter, neutraler Standpunkt: Auf diese Weise bestand er auf seinem Recht, hier zu sein, ohne allzu weit in ihren privaten Bereich einzudringen. »Ich mache mir Sorgen, Hexenkind«, setzte er leise an.
Jaenelle legte den Kopf schief. »Weswegen?« »Ich sorge mich um dich. Darum, wie du uns allen aus dem Weg gehst und dich jedem gegenüber verschließt.«
Ihre Augen wurden eisig. »Jeder hat seine eigenen Grenzen und inneren Barrieren.«
»Ich spreche nicht von den inneren Barrieren«, entgegnete er, ohne dass es ihm wirklich gelang, seine Stimme ruhig zu
halten. »Natürlich hat jeder von uns solche Grenzen. Sie beschützen das innere Netz und das Selbst. Du aber hast eine Mauer zwischen dir und allen anderen errichtet, die deine Mitmenschen vollständig ausschließt.«
»Vielleicht solltet ihr dankbar für die Mauer sein, Saetan«, kam Jaenelles Mitternachtsstimme, die ihm einen angstvollen Schauder über den Rücken jagte.
Saetan, nicht Papa. Saetan. Und mit einer völlig anderen Betonung. Es klang wie eine Königin, die sich in aller Form an einen Kriegerprinzen wandte.
Er wusste nicht, wie er auf ihre Worte oder die darin enthaltene Warnung reagieren sollte.
Sie stieg von ihrem unsichtbaren Hocker und wandte sich von ihm ab, die Hände auf den staubigen Tisch gestützt.
»Hör mir zu«, sagte er, wobei er den flehenden Unterton in seiner Stimme zu unterdrücken suchte. »Du kannst dich nicht derart vor allem verschließen und den Rest deines Lebens in diesem Zimmer verbringen, um prächtige Dinge zu erschaffen, die nie jemand zu Gesicht bekommen wird. Du bist eine Königin und wirst mit deinem Hofstaat Umgang pflegen müssen. «
»Ich werde keinen Hof haben.«
Entgeistert starrte Saetan sie an. »Selbstverständlich wirst du einen Hof haben. Du bist eine Königin.«
Jaenelle warf ihm einen Blick zu, der ihn zusammenzucken ließ. »Es wird nicht von mir verlangt, einen Hof zu haben. Ich habe es extra nachgesehen. Und ich habe keine Lust zu herrschen. Ich möchte nicht über das Leben anderer gebieten, nur über mein eigenes.«
»Aber du bist Hexe .« Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, wurde es eisig kalt in dem Raum.
»Ja«, erwiderte sie sanft. »Das bin ich.« Dann drehte sie sich wieder um.
Sie ließ die Maske der Menschlichkeit – und die des Fleisches – fallen und gewährte ihm zum ersten Mal einen Blick auf ihr wahres Gesicht.
Das winzige spiralförmige Horn in der Mitte ihrer Stirn.
Die goldene Mähne, die nicht ganz Pelz, aber auch nicht ganz Haar war. Die leicht spitz zulaufenden Ohren. Hände mit eingezogenen Krallen. Beine, die sich unterhalb des Knies veränderten, weil an ihren Enden kleine Hufe saßen. Der Streifen goldenen Pelzes, der ihre Wirbelsäule hinabführte und in einen Rehkitzschweif auslief, der ruckartig über ihr Gesäß strich. Das exotische Gesicht und diese saphirblauen Augen.
Da er vor so vielen Jahren Cassandras Gefährte gewesen war, hatte er gedacht, Hexe zu kennen und zu verstehen. Jetzt begriff er endlich, dass Cassandra und die anderen Königinnen mit ihren schwarzen Juwelen, die vor Jaenelle geherrscht hatten, lediglich dem Namen nach Hexe gewesen waren. Sie hingegen war wirklich der lebende Mythos, Fleisch gewordene Träume.
Welcher Narr war er gewesen! Zu glauben, all die Träumer seien Menschen gewesen …
»Genau«, meinte Hexe mit leiser, kalter Stimme.
»Du bist wunderschön«,
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