Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
meine Juwelen, und – ja – meinen Zorn eingesetzt, um Dhemlan zu beschützen. Selbst wenn ich nicht sichtbar in Erscheinung trat, habe ich für euch gesorgt. Es gibt zahlreiche Dienste – darunter sehr persönliche Dienste –, die ich dir oder einer anderen Königin dieses Territoriums hätte abverlangen können, doch derartige Forderungen habe ich nie gestellt. Ich akzeptierte die Verantwortung, die mir als Herrscher von Dhemlan oblag, und ich habe verflucht noch mal weder meine Stellung noch meine Macht auch nur ein einziges Mal ausgenutzt.«
Aus Sylvias gebräuntem Gesicht war sämtliche warme, gesunde Farbe gewichen. Ihre Hand zitterte, als sie die Tasse an den Mund führte, um einen Schluck zu trinken. Dann setzte sie die Tasse wieder ab, reckte das Kinn und straffte die Schultern. »Letztens bin ich deiner Tochter begegnet. Ich fragte sie, ob sie es schwierig fände, mit deinem Zorn fertig zu werden. Sie sah mich völlig verblüfft an und fragte: ›Von welchem Zorn sprichst du?‹«
Lange starrte Saetan sie an, dann verblasste sein Ärger. Er rieb sich den Nacken und sagte trocken: »Jaenelle hat in vielerlei Hinsicht eine ganz eigene Sichtweise.«
Bevor er Beale herbeirufen konnte, verschwanden die Teekanne und die gebrauchten Tassen. Einen Augenblick später erschien eine frische Kanne auf dem Tisch, außerdem saubere Tassen und ein Teller mit Gebäck.
Saetan warf der Tür einen fragenden Blick zu, bevor er sich wieder auf dem Sofa niederließ. Er goss Sylvia und sich eine weitere Tasse Tee ein.
»Er hat die Erfrischungen nicht hereingebracht«, stellte Sylvia leise fest.
»Das ist mir nicht entgangen«, antwortete Saetan und fragte sich, wie nahe sein Butler an der Tür des Arbeitszimmers stand. Er umgab den Raum mit einem Hörschutz.
»Vielleicht war er eingeschüchtert.«
Saetan stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ein Mann, der glücklich mit Mrs. Beale verheiratet ist, lässt sich von niemandem einschüchtern – auch nicht von mir.«
»Ich verstehe, was du meinst.« Sylvia biss von einem Gebäckstück ab.
Er griff nach seiner Tasse und lehnte sich zurück. Erleichtert stellte er fest, dass ihr Gesicht wieder Farbe bekommen und sie offensichtlich keine Angst mehr vor ihm hatte. »Ich werde herausfinden, was in Halaway vor sich geht. Und ich werde dafür sorgen, dass es aufhört.« Er nippte an seinem Tee, um sein Zögern zu überspielen, doch die Frage musste gestellt werden. »Wann hat es angefangen?«
Sylvia warf ihm einen strengen Blick zu. »Deine Tochter ist nicht der Grund, Höllenfürst. Ich habe sie nur kurz getroffen; eines Nachmittags, als ich mit Mikal, meinem jüngsten Sohn, einen Spaziergang machte. Dennoch weiß ich, dass sie nicht der Grund ist.« Wieder nervös geworden, spielte sie an ihrer Tasse herum. »Eventuell ist sie jedoch der Auslöser. Vielleicht trifft es die Sache aber auch eher, wenn ich sage, dass ich durch ihre Gegenwart auf das Ganze aufmerksam geworden bin.«
Abwartend hielt Saetan die Luft an. Es war nicht leicht gewesen, Jaenelle dazu zu überreden, in den letzten Wochen vor dem Sommer die Schule in Halaway zu besuchen. Er hatte gehofft, dass der Kontakt zu anderen Kindern den Wunsch in ihr entfachen könnte, sich wieder mit ihren alten Freunden in Verbindung zu setzen. Stattdessen hatte sie sich noch mehr zurückgezogen und war ausweichender denn je geworden.
Und die höflich formulierten Fragen Lord Menzars ihre Ausbildung, beziehungsweise deren Lücken betreffend, hatten ihn bestürzt. Abgesehen von seinen Unterweisungen in der Kunst hatte er nicht die leiseste Ahnung, wie ihr Unterricht bisher strukturiert gewesen war. Doch jeden Tag, seitdem sie auf der Burg eingezogen waren, hatte er mit ansehen müssen, wie sich die Fäden, die er zwischen sich und dem Mädchen spann, schneller auflösten, als er sie spinnen konnte. Er hatte sich nicht erklären können, weshalb das so war. Bis jetzt.
»Warum?«
Sylvia, die in ihre eigenen Gedanken versunken gewesen war, starrte ihn entgeistert an.
»Warum ist sie der Auslöser?«, wiederholte Saetan.
»Oh.« Wieder erschien die senkrechte Furche zwischen ihren Brauen, als sie sich konzentrierte. »Sie ist … anders.«
Schlag nicht wild um dich , ermahnte Saetan sich. Hör ihr einfach nur zu.
»Beron, mein älterer Sohn, hat ein paar Unterrichtsstunden mit ihr, und wir haben uns unterhalten. Nicht, dass es unsere Angewohnheit ist, über deinen Haushalt zu tratschen, aber deine Tochter macht ihm zu
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