Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
sich mit der linken Hand die Seite hielt.
»Dummkopf!« Surreal eilte auf ihn zu, um ihm den Korb abzunehmen. »Du solltest nichts derart Schweres tragen, solange deine Verletzungen nicht verheilt sind.«
Sie zerrte an dem Korb und stieß ein Knurren aus, als der Krieger ihn nicht loslassen wollte. »Bedien dich wenigstens der Kunst, um das Gewicht zu mindern, du Narr!«
»Halt deine Zunge im Zaum.« Mit zusammengebissenen Zähnen trug der Krieger den Korb zu dem Tisch, der sich im Küchenbereich befand. Dann wandte er sich zum Gehen, zögerte jedoch. »Man sagt, er habe ein Kind umgebracht.«
Blut. So viel Blut. »Das stimmt nicht.«
»Er denkt, dass er es getan hat.«
Sie hatte Daemon nicht im Blickfeld, konnte ihn aber hören. »Verflucht.«
»Meinst du, er wird je aus dem Verzerrten Reich zurückkehren? «
Surreal starrte auf den Korb. »Das hat bisher niemand geschafft. «
»Daemon.« Als Surreal keine Antwort erhielt, nagte sie unschlüssig an ihrer Unterlippe. Vielleicht sollte sie ihn schlafen lassen, falls er tatsächlich schlief. Nein, die Kartoffeln waren im Ofen, die Steaks konnten in die Pfanne, und der Salat war zubereitet. Etwas zu essen brauchte er genauso dringend wie Ruhe. Sollte sie ihn berühren? Es war unmöglich zu wissen, was er gerade im Verzerrten Reich sah, und wie er ein sanftes Rütteln deuten mochte. Sie versuchte es erneut, diesmal mit lauterer Stimme: »Daemon.«
Er schlug die Augen auf. Eine lange Minute verging, bevor er die Hand nach ihr ausstreckte. »Surreal«, sagte er heiser.
Sie nahm seine Hand und wünschte sich, sie könnte ihm
helfen. Als sich sein Griff wieder lockerte, hielt sie ihn nur um so fester und zog. »Komm hoch. Vor dem Abendessen musst du dich waschen.«
Er erhob sich, und seine Bewegungen erinnerten fast an die fließende, raubtierhafte Anmut, die er früher besessen hatte. Doch als sie ihn ins Badezimmer führte, starrte er die Armaturen an, als hätte er so etwas noch nie zuvor gesehen. Weil er sich nicht rührte, zog sie ihm Jacke und Hemd aus. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht, wenn Tersa diese kindliche Passivität an den Tag legte. Seine Teilnahmslosigkeit hingegen zehrte an ihren Nerven. Als sie nach seinem Gürtel griff, stieß er ein wütendes Knurren aus, und im nächsten Augenblick hielt seine Hand ihr Gelenk so fest umschlossen, dass sie überzeugt war, er würde ihr die Knochen brechen.
»Dann mach es doch selbst«, zischte sie.
Sie konnte sehen, wie er innerlich zusammenzuckte, spürte seine Verzweiflung.
Nachdem er den Griff gelockert hatte, führte er ihre Hand an seine Lippen. »Es tut mir Leid, ich …« Er sah erschöpft aus, als er sie losließ, den Gürtel öffnete und sich an seiner Hose zu schaffen machte.
Surreal floh.
Ein paar Minuten später rauschte es in den Wasserrohren, als er unter die Dusche stieg.
Während sie den Tisch deckte, fragte sie sich, ob er sich tatsächlich sämtlicher Kleidungsstücke entledigt hatte. Wie lange befand er sich schon in diesem Zustand? Wenn sonst nichts von seinem vormals genialen Geist übrig war, wie hatte er es dann fertig gebracht, den Krieger zu heilen?
Mitten während des Tischdeckens hielt sie inne. Tersa hatte immer ihre Inseln der Klarheit besessen und zwar gewöhnlich, wenn es um die Kunst ging. Als die wahnsinnige Schwarze Witwe einst eine tiefe Wunde an Surreals Bein geheilt hatte, hatte sie auf Titians Bedenken hin versichert: »Die Grundlagen vergisst man nicht.« Anschließend hatte Tersa sich jedoch nicht einmal mehr an ihren eigenen Namen erinnern können.
Ein paar Minuten später trat Surreal unschlüssig auf den Flur. Sie hatte ein gedämpftes Aufjaulen vernommen, was nichts anderes bedeuten konnte, als dass es kein heißes Wasser mehr gab. Die Leitungen ratterten und zischten, als Daemon die Dusche abstellte.
Ansonsten gab es keinerlei Geräusche.
Leise fluchend stieß Surreal die Badezimmertür auf. Ihr Gast stand einfach nur mit gesenktem Kopf in der Wanne.
»Trockne dich ab«, befahl Surreal.
Er zuckte zusammen und griff nach einem Handtuch.
Es kostete sie Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken und laut zu sprechen, als sie hinzufügte: »Ich habe dir frische Kleidung herausgelegt. Zieh dich an, sobald du mit dem Abtrocknen fertig bist.«
Sie kehrte in die Küche zurück und kümmerte sich um die Steaks, mit halbem Ohr immer auf die Geräusche aus dem Schlafzimmer lauschend. Als Daemon schließlich angekleidet im Türrahmen erschien, war sie
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