Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
beide etwas zu essen und etwas Schlaf bekommen.«
Daemon folgte Lucivar die Treppe im Familiensalon hinauf und durch ein Labyrinth aus Gängen. Nach ein paar Minuten des Schweigens, meinte er: »Du hast ihn Daemonar genannt.«
»Das war so ähnlich, wie es ging, ohne dem Namen seine eyrische Note zu nehmen.« Lucivars Stimme klang leicht belegt.
»Ich fühle mich geschmeichelt.«
Lucivar schnaubte verächtlich. »Tja, das hättest du tatsächlich auch sein können, als er noch ein Baby war. Sobald er ins Krabbelalter kam, verwandelte er sich in ein kleines Ungeheuer. « Er fuhr sich mit der Hand durch das schulterlange Haar. »Und es ist nicht allein meine Schuld. Ich habe das nicht im Alleingang zustande gebracht, aber daran scheint sich niemand mehr erinnern zu können.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum«, sagte Daemon trocken und beobachtete, wie Lucivar vor Empörung einen roten Kopf bekam.
»Wenn er etwas Entzückendes macht, ist er stets der Sohn seiner Mutter. Verhält er sich klug, ist er der Enkel des Höllenfürsten. Doch wenn er sich wie ein verflixtes kleines Ungeheuer aufführt, ist er mein Sohn.« Lucivar massierte sich die Brust. »Manchmal könnte ich schwören, dass er Dinge anstellt, bloß um zu sehen, ob mein Herz stehen bleibt.«
»Wie heute Abend?«
Lucivar winkte ab. »Nein, das war nur … nur … Übermut. Was soll ich dir sagen? Er ist ein kleines Monster.«
Sie bogen um eine Ecke und stießen beinahe mit einer hübschen Eyrierin zusammen. Sie trug ein langes, praktisches Nachthemd und hielt ein dickes Buch umklammert.
»Dein Sohn«, sagte sie, jedes einzelne Wort betonend, »ist kein Monster!«
»Wie dem auch sei«, sagte Lucivar, dessen Augen sich zu Schlitzen verengten. »Wieso bist du nicht im Bett, Marian? Du solltest dich heute ausruhen.«
Marian schnaubte verärgert. »Ich habe fast den ganzen Vormittag vor mich hin gedöst. Nachmittags habe ich ein wenig mit Daemonar gespielt, und dann haben wir beide ein Mittagsschläfchen gehalten. Ich bin nur aufgestanden, um mir ein Buch auszuleihen. Bis mir Beale eine Tasse heiße Schokolade und einen Teller mit Keksen bringt, liege ich längst wieder in den Federn.«
Lucivars Augen wurden noch schmaler. »Marian! Hast du heute etwa nichts gegessen?«
Verwundert starrte Daemon Lucivar an. Selbst ein Narr –
oder ein eyrischer Mann – sollte abschätzen können, dass die Frau innerlich vor Wut kochte.
»Onkel Andulvar kam vorbei, um sich zu vergewissern, ob ich auch reichlich gefrühstückt hätte. Prothvar brachte mir am Vormittag einen Imbiss. Zu Mittag habe ich mit Daemonar gegessen. Allerdings war Mephis sicher, dass ich am Verhungern sei, und servierte mir am Nachmittag noch eine Kleinigkeit. Und dein Vater hat sich bereits bei mir erkundigt, was ich zu Abend gegessen habe. Es ist bereits genug Wirbel um mich gemacht worden, vielen Dank!«
»Ich mache keinen Wirbel«, knurrte Lucivar, um dann leise hinzuzufügen: »Dazu hatte ich gar keine Gelegenheit.«
Marian warf Daemon einen bedeutsamen Blick zu. »Solltest du dich nicht lieber um deinen Gast kümmern?«
»Er ist kein Gast, sondern mein Bruder.«
Mit einem herzlichen Lächeln auf den Lippen streckte Marian die Hand aus. »Dann musst du Daemon sein. Oh, ich bin so froh, dass du endlich hier bist! Jetzt habe ich noch einen Bruder.«
Bruder? Daemon sah Lucivar fragend an, während er nach ihrer Hand griff.
Besitzergreifend strich Lucivar über Marians Haar, das ihr bis zur Taille reichte. »Marian hat mir die Ehre erwiesen, meine Frau zu werden.«
Und Daemonars Mutter! Der Boden gab kurz unter Daemons Füßen nach und war kurz darauf wieder an der gewohnten Stelle.
Marian drückte seine Hand, die Augen voll Sorge. Lucivars Blick war schärfer.
In Daemons Innern prallten Gefühle aufeinander und hämmerten gegen seinen zerbrechlichen Geist. Da es keine Sicherheiten gab, an denen er sich hätte festhalten können, wich er einen Schritt zurück und machte sich ein weiteres Mal daran, mühevoll die Kontrolle über seine Gefühle wiederzuerlangen.
Lucivar zog an dem Buch, das Marian umklammert hielt, um den Titel lesen zu können. Vielleicht spürte er, dass Daemon Zeit brauchte.
»Ist das wieder so ein tränenreiches Buch?«, wollte Lucivar misstrauisch wissen.
Marian breitete die Flügel aus und schloss sie mit einem lauten Geräusch wieder. »Ein was?«
»Du weißt schon, eines dieser Bücher, die Frauen gerne lesen und bei deren Lektüre sie
Weitere Kostenlose Bücher