Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
über das Nachthemd gezogen. Wenn Lucivar aufbrausen sollte, konnte sie ihn darauf hinweisen, dass er keine kalten Füße mochte. Allerdings glaubte sie nicht, dass er aufbrausen würde. Nachdem er gestern mehrere Stunden lang geschlafen hatte, war er zwar immer noch so gierig nach ihr gewesen wie an den übrigen Tagen, doch sein Verlangen hatte sich im Laufe des Tages gewandelt. Ihr gemeinsames Liebesspiel war immer gelassener geworden - es war nicht von dem Versuch geprägt gewesen,
den Augenblick des Höhepunktes zu verlängern, sondern war einfach … ruhiger und zärtlicher geworden. Mehr so, wie sie sich das Liebesspiel mit ihm vorgestellt hatte, nachdem sein anfänglicher Hunger gestillt war.
Im Vorderzimmer hielt sie kurz inne. Die Vorhänge, die sie angefertigt hatte, um die Glastüren zu verdecken, waren zurückgezogen. Draußen herrschte ein klarer, sonniger Tag, was bedeuten musste, dass sich der Schneesturm endlich gelegt hatte. Sie hoffte, dass der Schnee, der sich vor den Scheiben türmte, lediglich vom Wind so hoch geweht worden war. Allerdings hegte sie den Verdacht, dass dem nicht so war. Ebon Rih war vom Schnee richtig begraben.
Begraben.
Sie sah sich um - und fühlte sich unendlich erleichtert, als sie die beiden Schüsseln in der Nähe der Eingangstür erblickte. In einer befand sich Wasser, in der anderen Fleischstücke, die eventuell von dem Wildbret stammten, das sie in der Gefriertruhe gelagert hatte. Sie hatte sich nicht getraut, nach Tassle zu fragen oder mithilfe eines mentalen Fadens mit dem Wolf in Kontakt zu treten, um herauszufinden, ob es ihm gut ging. Zu groß war ihre Angst gewesen, Lucivar könnte es bemerken und glauben, sie könnte einen anderen Mann, einen Rivalen, herbeirufen. Ansonsten gab es keinerlei Anzeichen für Tassles Gegenwart, doch Lucivar musste sich vergewissert haben, ob sich der Wolf in der Nähe befand, bevor er das Futter und das Wasser hinausstellte.
In der Küche saß Lucivar, vollständig angezogen, und trank Kaffee aus einer der einfachen weißen Tassen, die er bevorzugte. Er wandte sich vom Fenster ab und sah rasch zu ihr herüber, bevor er sich wieder wegdrehte und die Welt jenseits des Küchenfensters musterte.
Seine Augen waren nicht länger wild und glasig, doch es lag auch keine Wärme darin. Er wirkte geradezu, als fühle er sich … unbehaglich.
Da sie unsicher war, was er von ihr erwartete, versuchte sie es mit einem Lächeln. »Guten Morgen.«
»Der Sturm hat sich endlich gelegt.«
Sie fragte sich, ob er den Blizzard meinte oder den Gefühlssturm in seinem Innern.
Er trat vom Fenster weg, hielt dann jedoch inne, als wolle er ihr nicht zu nahe kommen. Gleichzeitig wich er ihrem Blick aus.
Nach einem weiteren Schluck von seinem Kaffee stellte er die Tasse auf die Arbeitsfläche. »Brauchst du eine Heilerin?«
Die jähe Frage überraschte sie. Zwar wusste sie nicht, was sie erwartet hatte, sobald die Brunst vorbei war, aber sie hatte gewiss nicht erwartet, von ihm wie eine Fremde behandelt zu werden, der er während des Schneesturms ein Obdach gewährt hatte. »Nein, ich brauche keine Heilerin.«
Er trat einen Schritt auf sie zu - und sie hätte schwören können, dass er zusammenzuckte, bevor er doch wieder zurückwich.
»Ich muss nach den Dörfern sehen und sicherstellen, dass alle das Unwetter gut überstanden haben.«
»Möchtest du frühstücken, bevor du aufbrichst?«, fragte sie.
»Nein«, erwiderte er eine Spur zu rasch. »Ich will nicht …« Nach kurzem Zögern schüttelte er den Kopf. »Ich muss los.« Er warf ihr einen letzten Blick zu, dann eilte er den Dienstbotengang entlang, der zum Seiteneingang führte.
Einen Moment später hörte sie, wie er die Tür hinter sich zuschlug.
Verblüfft sank Marian auf einen Stuhl und schlang tröstend die Arme um sich.
Er war vor ihr davongelaufen. Lucivar Yaslana, der Kriegerprinz von Ebon Rih, der Schwarzgrau trug, war aus seinem eigenen Horst geflohen, um von ihr fortzukommen.
Er wollte sie nicht. Das war es, nicht wahr? Das war der Grund für sein Unbehagen, seine Verlegenheit. Er wollte sie nicht. Was er aus reinem Bedürfnis angenommen hatte, hatte sie aus Liebe gegeben. Doch nun, da die Brunstzeit vorbei war … Schämte er sich, seine Haushälterin ins Bett geholt zu haben, weil keine anderen Frauen zur Auswahl gestanden
hatten? Oder fürchtete er nun, dass sie fortan von ihm erwarten würde, ihr immer dann zu Gefallen zu sein, wenn es sie nach einem Mann verlangte?
Sie
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