Die schwarzen Juwelen 07 - Blutskönigin
und Hekatah SaDiablo befleckt worden waren.
Sogar hier im Bergfried, der tatsächlich eine geschützte heilige Stätte war, hatte er den Unterschied zwischen Terreille und Kaeleer gespürt, hatte gefühlt, wie Jahrhunderte von Erinnerungen an ihm klebten wie Spinnweben aus Schmerz und Angst. Als er in Terreille gelebt hatte, hatte er den Schmerz umarmt und war der Angst entgegengetreten, indem er Spiele gespielt hatte, deren Grausamkeit und Bösartigkeit dem entsprachen, was Dorothea ausgezeichnet hatte – oder es sogar noch übertrafen.
Er hatte siebzehn Jahrhunderte Sklaverei und Misshandlung überlebt – aber nicht, ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Sein Körper war unversehrt; seine Narben trug er im Herzen und in seiner Seele.
Als er Saetan in der Bibliothek entdeckt hatte, hätte er zu seinem Unbehagen stehen sollen, anstatt es verdrängen zu wollen. Er hätte begreifen müssen, dass er sich mit seinem Vater genauso wenig in Terreille aufhalten konnte wie mit seinem Bruder Lucivar. Zu viele Erinnerungen – und die
letzten Erinnerungen daran, wie sie drei zusammen in Hayll gewesen waren, suchten immer noch hin und wieder seine Träume heim.
Sein Vater in diesem hayllischen Lager, wie er gefoltert wurde. Sein Bruder in diesem Lager, wie er gefoltert wurde. Und er selbst, um sie am Leben zu erhalten und zu befreien, war zu ihrem schlimmsten Folterknecht geworden.
Daemon rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht und konzentrierte sich wieder auf den Tisch. Solange er darauf wartete, dass Saetan in dieses Reich zurückkehrte, musste er seinen Geist mit irgendetwas anderem beschäftigen.
»Was haben wir denn hier?« Dicke Scheiben blutiges Roastbeef. Einen Gemüseauflauf. Knuspriges Brot und Butter. Und …
Er hob den Deckel von dem letzten Teller und zog erstaunt eine Augenbraue hoch, als ihm kalte Luft entgegenschlug.
Zwei Schüsseln mit …
Daemon nahm sich eine, musterte sie nachdenklich, und griff dann zum Löffel. Da er so etwas noch nie gesehen hatte, konnte er nur herausfinden, was es war, indem er es probierte.
Er nahm einen Löffel voll und schloss die Augen, als der Geschmack seinen Mund erfüllte.
Gesüßter Quark, der so aufgeschlagen war, dass er jede Schwere verloren hatte. Kleine Schokoladenstückchen. Mit Himbeersauce durchzogen.
Er öffnete die Augen und leckte sich die Lippen. Dann ließ er den Blick noch einmal über den Tisch wandern. Es gab zwei Schüsseln von dem Zeug, also musste eine davon für ihn sein. Was für einen Unterschied machte es schon, ob er es vor oder nach dem Rest der Mahlzeit aß?
Zufrieden mit dieser logischen Rechtfertigung – falls eine nötig werden sollte – schlug er zu.
Wen würde er bestechen müssen, um an das Rezept zu kommen? Und wenn er es hatte, würde er es für sich behalten? Oder würde er Mrs. Beale, der opulenten, leicht Furcht
einflößenden Hexe, die ihm auf Burg SaDiablo als Köchin diente, anbieten, es mit ihr zu teilen? Ihr ein solches Rezept zu schenken, wäre vielleicht ein gerechter Ausgleich dafür, dass sie die kleine zusätzliche Küche tolerierte, die er für seinen persönlichen Gebrauch eingerichtet hatte. Bisher hatte Mrs. Beale ihm wegen dieses Affronts gegen ihr häusliches Territorialrecht nur deswegen nicht den Krieg erklärt, weil a) er der Besitzer der Burg war; b)seine schwarzen Juwelen ihren gelben um einiges überlegen waren; und c) sie, technisch gesehen, seine Angestellte war.
Nichts von alledem interessierte Mrs. Beale sonderlich, es sei denn, es passte ihr gerade in den Kram, sich daran zu erinnern.
Und in gewisser Weise war es auch gut für ihn, dass Mrs. Beale seine Autorität und Macht infrage stellte. Jetzt, da er das Territorium Dhemlan regierte, konnte er verstehen, warum Saetan in seinem eigenen Heim so passiv gewesen war. Und manchmal zugelassen hatte, dass die Leute, die für ihn arbeiteten, ihn unterbutterten.
Die Bewohner von Dhemlan – oder genauer gesagt die Königinnen und ihre Höfe, die ihm direkt unterstellt waren – fürchteten ihn. Sie hatten allen Grund, ihn zu fürchten. Die schwarzen Juwelen waren ein Speicher der Macht, die ihm innewohnte, eine Warnung vor der Tiefe und Stärke der Kraft, die gegen jeden gerichtet werden konnte, den er als Feind betrachtete. Aber zu Hause …
Er hatte an Orten gelebt, an denen ein jeder in ständiger, kräftezehrender Angst verharrte. Er wollte nicht an einem solchen Ort leben. Er wollte nicht die Ursache dafür sein. Nicht in seinem Heim.
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