Die schwarzen Juwelen 07 - Blutskönigin
sie erkannte, dass Shira sich wie eine Frau verhielt, die sich gegen eine schmerzliche Wahrheit wappnete.
»Er will an meinem Hals riechen«, stellte Cassidy fest.
Shira zögerte, nickte dann aber.
»Und er ist sich nicht sicher, ob das eine sexuelle Bedeutung hat.«
Ein weiteres widerwilliges Nicken.
»Hat es nicht.«
Shira riss die Augen auf. »Hat es nicht ?«
»Nein. Ich bin mir nicht ganz sicher, worin die Anziehung besteht. Ich sehe oder spüre gar nichts. Und ich bin mir auch nicht sicher, was dieser Impuls für die Männer bedeutet, außer dass es nichts Sexuelles ist.« Sie war zumindest ziemlich sicher, dass es nichts Sexuelles war. Vielleicht sollte sie bald einmal an Jaenelle schreiben und nachfragen. »Als ich mich darauf vorbereitet habe hierherzukommen, hat Jaenelle mir gesagt, jeder Kriegerprinz, der wirklich zu mir gehört, würde an meinem Hals riechen wollen und dass ich deswegen kein Theater machen sollte.«
Shira sah sie mit offenem Mund an. »Jaenelle? Hexe hat dir das gesagt?«
Offenbar wusste der Rest des Hofes inzwischen, was sie Talon über Jaenelle Angelline erzählt hatte. Vielleicht hatte Theran deswegen in den letzten Tagen eine so steife Höflichkeit an den Tag gelegt. »Ja. Als ich hinterher darüber nachgedacht habe, ist mir aufgefallen, dass ich oft gesehen habe, wie die Männer aus ihrem Ersten Kreis leicht versetzt hinter ihr gestanden haben, wohl damit sie … Na ja, sie haben es nicht so deutlich gezeigt, aber im Grunde standen sie so, damit sie an ihr riechen konnten. Aber es war rein gar nichts Sexuelles daran. Bei ihrem Gefährten wird wohl etwas Sexuelles dabei gewesen sein, schätze ich, aber der ist erst Jahre nachdem ich meine Lehrzeit am Dunklen Hof beendet hatte gekommen. Dementsprechend war Jaenelles Bruder Lucivar der Einzige, bei dem ich gesehen habe, wie er sie an dieser Stelle geküsst hat, und das war rein freundschaftlich. Wie wenn mein Bruder Clayton mir einen Kuss auf die Stirn drückt.«
»Es ist nichts Sexuelles«, sagte Shira, die es kaum glauben konnte.
Lächelnd schüttelte Cassidy den Kopf. »Ranon ist in dich
verliebt. Das habe ich gleich am ersten Tag erkannt, als du angeboten hast, am Hof zu dienen. Wenn ihr zwei also hier im Haus gemeinsame Gemächer haben wollt, um zusammenzuleben, habe ich nichts dagegen. Und wenn ihr euch einander versprechen wollt, werden wir Therans Gemurre über die Kosten ignorieren und ein Fest feiern.« Sie runzelte die Stirn. »Es gibt hier doch noch Priesterinnen, oder?«
Etwas benommen nickte Shira. »Aber ich bin eine Schwarze Witwe.«
»Und nach den Reaktionen zu urteilen, die ich gesehen habe, als du hier das erste Mal aufgetaucht ist, wird es nicht einfach sein, öffentlich dazu zu stehen. Aber das sollte dich nicht davon abhalten, mit jemandem zusammen zu sein, den du liebst.«
Shira trat ans Fenster und starrte hinaus. Da sie sich mehrmals über die Wangen strich, ging Cassidy zur Tür, um hinauszuschlüpfen und ihr ein wenig Zeit zu geben, damit sie ihre Freudentränen in Ruhe vergießen konnte.
»Wie lange dauert es noch?«, fragte Shira und drehte sich halb zu ihr um. »Bis zu deiner Mondzeit, meine ich.«
»Sie wird in ein paar Tagen einsetzen. Eigentlich kann es jeden Tag losgehen.«
»Ich kann einen Trank aufsetzen, der sie hinauszögern wird. Da du schon so kurz davor bist, weiß ich nicht, ob er sie um einen ganzen Zyklus verschieben wird, aber so bekommst du ein wenig mehr Zeit, um dich an die Männer hier zu gewöhnen.«
»Danke.«
Cassidy ging hinaus, blieb aber draußen vor der Tür stehen. In Dharo hatte sie nur wenige Entscheidungen getroffen, die von Bedeutung gewesen waren. Hier konnte jede ihrer Entscheidungen, ganz gleich wie geringfügig sie war, Auswirkungen auf das gesamte Territorium haben.
Sei, was du bist . Das war Jaenelles letzter Ratschlag gewesen.
Vielleicht würde sie nicht viel bewirken. Vielleicht würde ihr Hof sich entschließen, sie ein Jahr lang als Spielfigur zu
behalten, während eigentlich sie es waren, die herrschten. Die Dunkelheit wusste, sie waren alle stärker als sie, es gab also nichts, was sie tun könnte, wenn sie sich ihr widersetzten.
Aber heute hatte sie etwas getan, das von Wert war, und selbst wenn sie nichts anderes leisten konnte, während sie hier war, so hatte sie es doch wenigstens ermöglicht, dass zwei Menschen sich ganz offen lieben konnten.
Als sie auf die Tür zuging, die auf die Terrasse hinausführte, konnte Cassidy einfach nicht
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