Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
abgeben würde. »Komm, wir sehen uns um.«
Sie folgte ihm mit einem merklichen Mangel an Begeisterung, aber er führte sie ungeachtet dessen um das Haus herum. Die kleine Scheune war groß genug für ein paar Pferde, und die Koppel grenzte an die Weide des Hofstalles. Der hintere Garten bot genug Platz für Gemüsebeete, einen Heilergarten und einen persönlichen Bereich, den eine Schwarze Witwe nützlich finden würde. Und es gab immer noch genug Platz für Kinder oder Hunde zum Herumtoben. Das Beste war, dass das Grundstück direkt an den hinteren Teil des Geländes der Königlichen Residenz grenzte. Nur eine niedrige Steinmauer trennte die beiden. Und dieses Gebäude lag, anders als die anderen, die er heute zusammen mit Shira angesehen hatte, innerhalb dessen, was Ranon und Talon das »Königinnen-Viertel« nannten – die Straßen und Häuser, die im Falle eines Angriffs auf das Dorf am stärksten geschützt und verteidigt werden würden.
»Es reicht«, sagte Shira. »Lass und zurück in die Residenz gehen.«
Gray musterte sie, und der Schmerz in ihren dunklen Augen verwirrte ihn. »Warum gefällt dir dieser Ort nicht?«
»Weil er perfekt ist«, fuhr sie ihn an. »Und ich ihn nicht haben kann.«
»Warum nicht?«
Sie wandte sich ihm zu, die Hände zu Fäusten geballt. Er hätte sie fürchten sollen. Schließlich war sie eine Schwarze Witwe, was bedeutete, sie trug den Schlangenzahn unter dem Fingernagel ihres rechten Ringfingers. Den Juwelen nach übertraf er sie im Rang – Purpur gegen Aquamarin –, also würde ihr Gift ihn nicht unbedingt umbringen. Doch selbst wenn er überlebte, wäre er vielleicht für den Rest seines Lebens ein Krüppel.
»Ich habe kein Geld, Gray.«
»Aber …« Er rief das Papier herbei, das die Dorfältesten Powell überreicht hatten. Es war eine Liste aller Gebäude und Ländereien in ganz Eyota, die dem Hof auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden konnten – Grundbesitz, auf den keine lebende Familie mehr Anspruch erheben konnte. »Dieses Haus steht auf der Liste. Du brauchst kein Geld.«
»Und was ist mit Möbeln? Was ist mit einem Arbeitstisch und Schränken für Tränke, Tonika und getrocknete Kräuter? Was ist mit Werkzeugen? Was ist mit Decken und Laken und Heilerzubehör?«
»Das Geschenk der Königin …«
Shira schüttelte erbittert den Kopf. »Nein. Die Dinge in meinem Zimmer in der Residenz kann ich als Hofausgaben rechtfertigen, aber ich kann nicht erwarten, dass der Hof einen Ort wie diesen hier ausstattet. Und Cassidy sollte nicht für etwas aufkommen, das nicht zum Hof gehört.«
»Aber das Haus gefällt dir.« Er hatte eine Idee, aber erst musste er sich ihrer Gefühle sicher sein.
»Ja, das Haus gefällt mir.«
»Okay.« Er sah sich um, dann ging er noch einmal die Liste durch. »Ich möchte mir diese zwei Häuser auch noch ansehen. Sie stehen auch auf der Liste.«
»Mach, was du willst.« Shira seufzte. »Entschuldige, Gray. Ich tue mir selbst leid, und ich habe kein Recht dazu. Das Volk der Shalador hat heute mehr, als wir vor einem Jahr für möglich gehalten haben, und ich bin die Hofheilerin einer Königin, die ich mag und bewundere. Keine Heilerin könnte sich nach einer besseren Möglichkeit sehnen, um ihrem Volk
zu dienen, als sich um eine solche Königin zu kümmern.« Sie lächelte ihn schief an. »Wir sind fast zu Hause, also warum bringe ich nicht das Pferd und den Ponywagen zurück zur – «
»Nein.«
Sie blinzelte ihn an.
»Nein«, sagte Gray noch einmal. »Ich bin heute dein Begleiter. Wenn du jetzt zurückmöchtest, gehen wir zurück. Aber du gehst nicht alleine.«
»Ich kann die Residenz von hier aus sehen«, sagte Shira, als sie ihre Stimme wiederfand. »Ich kann die Weiden des Hofstalles von hier aus sehen. Beim Feuer der Hölle, Vae und Archerr und Cassidy stehen gerade im Garten und beobachten uns.«
Lucivar hatte gesagt: » Starken Frauen passt das Protokoll manchmal nicht, wenn sie glauben, du seist rechthaberisch oder überängstlich oder für was auch immer sie dich gerade halten. Manchmal ist es schlau, nachzugeben, aber wenn du weißt, dass du im Recht bist, beharre auf deinem Standpunkt, Junge, und werde zu einer höflichen, zuvorkommenden Mauer.«
Er hatte das Gefühl, Lucivar musste an ›höflich und zuvorkommend‹ noch arbeiten, aber ganz bestimmt wusste der Mann, wie man auf seinem Standpunkt beharrte.
»Ich könnte über die Mauer klettern und wäre zu Hause«, sagte Shira.
»In Ordnung«, sagte Gray.
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