Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
»Dann helfe ich dir über die Mauer.«
»Und wenn du Hilfe brauchst bei dem, was getan werden muss« , hatte Lucivar gesagt, » dann frag danach.«
*Vae?*, rief Gray. *Ich brauche dich.*
Shira ereiferte sich darüber, dass sie seine Hilfe nicht benötigte, und bemerkte nicht, wie Vae sich ihnen näherte, bis der Sceltie über die Mauer sprang.
*Shira? Shira! Warum führst du dich auf wie eine kratzbürstige Fauchkatze?*
»Du«, stammelte Shira und starrte ihn wutentbrannt an. »Du …«
Wie auch immer sie ihn hatte nennen wollen, es ging in Khollies freudigem *Shira!* unter, als er über die Mauer sprang und sich ihnen anschloss.
»Shira möchte nach Hause, und ich habe noch etwas zu tun, also würdet ihr beiden sie begleiten?«
*Wir kümmern uns um Shira*, sagte Khollie und blickte schwanzwedelnd zu Ranons Partnerin auf.
»Na toll.« Shira stürmte mit ihren zwei felltragenden Begleitern davon, die viel unerbittlicher waren, als ein Kriegerprinz es je wagen würde.
Wenigstens ist sie nicht mehr unglücklich, dachte Gray. Aber ihm war klar, dass es wohl schlauer wäre, ihr aus dem Weg zu gehen, bis Ranon nach Hause kam.
*Gray?*, fragte Archerr. *Ist alles in Ordnung?*
*Shira ist eine kratzbürstige Fauchkatze*, erwiderte er.
Archerrs prustendes Lachen brachte Shira dazu, plötzlich stehen zu bleiben und Gray einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.
Beim Feuer der Hölle.
Sein Lächeln musste wohl unverfroren genug gewesen sein, denn er konnte sehen, wie ihr Temperament aufflammte.
Mit etwas weichen Knien hob er zwei Finger zum Salut, drehte sich um und lief zur Vorderseite des Hauses.
Es war nicht klug, eine Schwarze Witwe zu verärgern. Andererseits war sie jetzt wahrscheinlich zu sauer, um sich zu fragen, was er eigentlich noch zu tun hatte.
Er band das Pferd los und begann, die Wolfsbachstraße hinunterzugehen, um sich die beiden Häuser anzusehen, die sich ebenfalls im Königinnen-Viertel befanden und dem Hof zur Verfügung standen. Er hatte das erste Haus noch nicht erreicht, als die Silberzwillinge die Straße hinuntergerannt kamen, ohne Zweifel von Vae alarmiert.
*Gehst du jetzt nach Hause, Gray?*, fragte Kief schwanzwedelnd.
*Wir bringen das Pferd zurück in den Stall*, sagte Lloyd.
»Danke, Jungs, aber ich brauche das Pferd noch.«
Immer noch schwanzwedelnd sahen sie ihn an.
Er versuchte, nicht zu seufzen, als er ihnen den Führstrick hinhielt. »Hier, haltet ihn fest, während ich mir diese Häuser ansehe.«
*Ich bewache das Pferd*, sagte Lloyd.
*Ich begleite Gray*, sagte Kief.
Jetzt seufzte er doch, aber er wehrte sich nicht, es hatte sowieso keinen Sinn. Die Menschen hatten nicht lange gebraucht, um das herauszufinden. Die Scelties schienen zu wissen, wann sie ohne zu fragen gehorchen mussten – und sie wussten, wann die Menschen sich wie sture Schafe benahmen und in die richtige Richtung getrieben werden mussten.
Der schlaue Mensch gab nach, bevor er gezwickt wurde.
Nicht alle Scelties hatten ihren Platz im Dorf gefunden, aber die meisten fühlten sich bereits wie zu Hause. Die Kriegerbrüder Lloyd und Kief waren in den Ställen eingezogen, in denen der Hof seine Pferde untergestellt hatte. Der Erste Kreis hatte sie die Silberzwillinge getauft, weil sie grau und weiß waren. Sie waren keine echten Zwillinge, aber Wurfgeschwister, und der einzige Unterschied zwischen ihnen bestand darin, dass Lloyds Gesicht eine breitere Fellzeichnung aufwies. Die Männer sahen immer noch selbst nach ihren Pferden, aber sie fühlten sich seitdem wohler, die Ställe unbewacht zu lassen. Schließlich wären Hunde, die schlau genug waren, Karotten auf die Weide zu tragen, um sich mit den Pferden anzufreunden, auch schlau genug, zu wissen, wann sie einen Menschen holen mussten.
Prinz Nachtnebel teilte seine Zeit zwischen Yairen und Akeelah auf, einer Hexe, die eine Traditionshüterin der Geschichten war. Es hatte Ranon ganz sicher ziemlich wütend gemacht, als er das erste Mal das Haus seines Großvaters betrat und sich einem anderen Kriegerprinzen mit Opal-Juwelen gegenübersah. Also waren Ranon und Nachtnebel derzeit dabei, ein paar territoriale Unklarheiten zu beseitigen. Die Tatsache, dass Ranon Khollies Mensch und Khollie Nachtnebels kleiner Bruder war, machte die Angelegenheit noch etwas … interessanter.
Aber so unterhaltsam das auch war – wenn man nicht selbst der Mensch war, um den es ging –, jetzt musste er sich diese Häuser ansehen und herausfinden, ob seine Idee umsetzbar
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