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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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schwang in der Stimme des Supai mit.
    Hokanu erhaschte einen Blick auf etwas aus grünem Glas. Er vergaß den Gestank toter Männer, kroch näher heran und hob die brennende Fackel über den Gegenstand, den Arakasi in der Hand hielt.
    Es war eine kleine Phiole. Die Innenseite war mit einer dunklen, klebrigen Flüssigkeit überzogen; der Korken – wenn es denn einen gegeben hatte – fehlte.
    »Eine Gift-Phiole?« fragte Hokanu.
    Arakasi schüttelte den Kopf. »Es ist zwar Gift drin« – er hielt Hokanu die Phiole unter die Nase; der Inhalt roch harzig und stechend bitter –, »aber das Glas ist grün. Und diese Farbe benutzen die Apotheker normalerweise nur für Gefäße, in denen Gegenmittel sind.« Er warf einen Blick auf das Gesicht des Gewürzhändlers; es verriet, wie schrecklich sein Todeskampf gewesen sein mußte. »Armer Kerl. Du hast wohl gedacht, du würdest aus der Hand deines Herrn dein Leben zurückerhalten.«
    Dann blickte der Supai Hokanu an. »Damit ist klar, warum Maras Vorkoster keinen Verdacht schöpfen konnte. Dieser Mann hat das Gift ebenfalls zu sich genommen, genau wie Mara und der Vorkoster. Er wußte, daß es ein langsam wirkendes Gift war, und er war sich sicher, rechtzeitig das Gegenmittel zu bekommen.«
    Der Span flackerte, als Hokanus Hand zu zittern begann. Draußen wurde das Geschrei noch lauter, und der Klang aufeinanderprallender Schwerter rückte näher.
    »Wir müssen weg«, sagte Arakasi drängend.
    Hokanu fühlte sich von kräftigen Händen gepackt und auf die Füße gestellt. »Mara«, murmelte er. All sein Kummer und seine Verzweiflung lagen in diesem Wort. »Mara.«
    Arakasi zerrte ihn voran. »Nein«, sagte er entschlossen, »es gibt jetzt neue Hoffnung.«
    Hokanu sah Arakasi an. Aus seinen Augen war jeglicher Glanz gewichen. »Was? Aber der Gewürzhändler ist tot. Wie könnt Ihr da behaupten, daß es Hoffnung gibt?«
    Arakasi fletschte voller grimmiger Befriedigung die Zähne. »Weil wir jetzt wissen, daß es ein Gegenmittel gibt. Und die Gift-Phiole trägt den Stempel eines Apothekers.« Er zerrte und schob den benommenen Hokanu weiter auf das lockere Brett an der zum Hafen gerichteten Seitenwand zu, durch das sie sich Zugang zum Lagerhaus verschafft hatten. »Ich kenne den Apotheker, der dieses Zeichen benutzt. Ich habe in der Vergangenheit manchmal Informationen von ihm erworben.« Der Supai duckte sich und kroch in die dunkle, stickige Gasse hinaus, in der der Gestank der Fischhändler von gegenüber hing. »Wir müssen jetzt nur noch den Tumult umgehen, den Chimichi als Ablenkung ausgelöst hat, und dann den Mann finden und ihn befragen. Das ist alles.«

Acht
    Befragung

    Hokanu rannte.
    Die Straßen waren ein einziges Chaos aus Lärm und fliehenden Bürgern, in dem sich Arakasi wie ein Schatten bewegte. Nur seine weite, wehende Priesterrobe unterschied ihn von den anderen rennenden Menschen. Hokanu war zwar ein geübter Krieger, aber er war es nicht gewohnt, barfuß zu laufen. Nachdem er sich die Zehen an hochstehenden Pflastersteinen gestoßen hatte, durch den Schlamm der Abwasserkanäle geschlittert und beinahe ausgerutscht war und einmal mit voller Wucht in eine Tonscherbe getreten war, hätte er mit Freuden jede Art von Schuhwerk angezogen – sogar schlecht sitzende Sandalen, von denen er Blasen bekommen hätte. Doch selbst wenn Arakasi seine Schwierigkeiten bemerkt haben sollte – er wurde deswegen kein bißchen langsamer.
    Hokanu wäre eher gestorben, als sich zu beklagen. Maras Leben stand auf dem Spiel, und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs seine Furcht, daß es bereits zu spät sein könnte, daß das schreckliche, langsam wirkende Gift sich schon so weit ausgebreitet haben könnte, daß eine Heilung unmöglich wäre.
    »Denk nicht nach«, redete er sich keuchend ein, »renn einfach!«
    Sie eilten am Stand eines Topfhändlers vorbei. Der Besitzer hastete in seinem Nachtgewand hin und her und drohte den Vorbeirennenden mit den Fäusten. Arakasi drängte den Shinzawai nach rechts.
    »Soldaten«, murmelte er. Er schien kaum außer Atem zu sein. »Wenn wir weiter geradeaus rennen, laufen wir ihnen genau in die Arme.«
    »Kaiserliche?« Hokanu gehorchte dem Richtungswechsel. Er zog eine Grimasse, als er in etwas Weiches trat, das zwischen seinen Zehen hochquoll und nach verfaulten Zwiebeln stank.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Arakasi. »Das Licht ist so schlecht, daß ich nur Federbüsche erkennen kann.« Er sog tief die Luft ein. »Wir werden nicht

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