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Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Titel: Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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Paul-Klee-Gärten, Wasser offenbar von der Pumpe, das Telefon ist noch ein ›RFT‹-Apparat mit Wählscheibe. In einer Badewanne liegen Bücher. Auf den paar Quadratmetern der Werkstatt stehen zwei betagte Pressen, über zwanzig Zentner schwer, eine ›Perfekta‹- und eine Radschneidemaschine. Die Buchbinderei hat keine Großkunden mehr, vor einigen Jahren kündigte der letzte, die Landesforstanstalt Graupa, für die Frau Funk und ihr Mitarbeiter Landkarten auf Leinen gezogen hatten. Ich war für die beiden wohl ein etwas sonderbarer Privatkunde, aus dem sie nicht ganz schlau wurden (ich fragte zuviel). Eine Woche später drückte mir die Buchbinderin die gebundenen Exemplare mit listigem Gesichtsausdruck in die Hand, zögerte, sagte, daß sie ›Blaueimer‹ kenne, die Betreiberin der Laufmaschenreparatur. Und dann begann sie zu erzählen. Ich dachte mir: Sonst äußern sich doch die Buchbinder niemals über Texte, die sie einkleiden müssen, teils wohl aus dem Bedenken, kein berufliches Risiko einzugehen, teils aus ehrlichem Desinteresse – wie es ja überhaupt eigenartig ist, wie wenig die verschiedenen Gewerke, die am Buch tätig sind, voneinander wissen oder wissen wollen; als ob sie in verschiedenen Universen kreisten, jedes für sich. So scheint es. Im stillen wird sich der eine oder andere doch seine Gedanken machen.«
    Zwinger, Mathematisch-Physikalischer Salon, Candida Höfer, Fotografie: Weiße Decke, Tonnengewölbe, die Leuchter wie mit Rauhreif bedeckte Spinnen. Der Uhrensaal: Im Vordergrund vier Tische, längsseits aneinandergefügt, mit Schaukästen nach Art der Juweliere. Zentral – der Automat als Monarch – in einer Sondervitrine die von Baldewein und Bucher konstruierte Planetenlaufuhr. Auf den Ziffernblattscheiben werden die Bewegungen und Umlaufzeiten von Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und Mond dargestellt, auf der Vorderseite ein Astrolabium mit Sonnenzeiger, auf der Rückseite ein Ewiger Kalender. Über dem marineblauen Boden, hart und hallend wie die Flure der St. Petersburger Admiralität, rotiert in Sternzeit ein silberner Himmelsglobus mit vergoldetem Ekliptikring.
    Porzellansammlung, Staatssicherheits-Gedenkstätte, Fotoraum: »Unmittelbar nach der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt wurde ein Foto des Inhaftierten erstellt. Er verblieb dazu in seiner Zivilkleidung und durfte keine Veränderungen an Bart und Haarschnitt vornehmen. Es wurde ein dreiteiliges, sogenanntes ›Täterlichtbild‹ des Gefangenen in den Maßen 6 × 13 cm angefertigt, wobei der Untersuchungshäftling frontal, im Profil und im Halbprofil aufgenommen wurde. Er mußte sich dazu auf diesen Stuhl * setzen und wurde per Hebel in die entsprechenden Positionen gebracht. Zusätzlich wurde ein Zehn-Finger-Abdruck des neu eingelieferten Häftlings genommen. Der Abdruckbogen wurde durch den Häftling unterschrieben und in die Abteilung 32 für die Abdrucksammlung weitergeleitet. Es wurde zudem auf einem weiteren Vordruck eine Signalementbeschreibung angefertigt, das heißt, es wurden alle charakteristischen Merkmale des Verhafteten aufgezeichnet.
    Fürstenzug, Kalte Klawdia: So gut wie nichts spricht in Dresden mehr von ihnen, den Soldaten und Zivilangestellten der sowjetischen Armee, die von 1945 bis 1993 zum Stadtbild gehörten und meinen Freunden und mir wie ein ferner, doch konkret uns meinender Fangarm des Kriegs erschienen. Das Viertel in der Albertstadt, in dem »die Russen«, wie sie allgemein (mehr abfällig als salopp) genannt wurden, lebten, hieß »Klein Moskau«; eine Welt für sich mit eigenen Schulen, Kinos, Ärzten, Geschäften (»Magasin«) für Waren aus der UdSSR; die Beschriftungen waren russisch, die Preise in DDR-Mark ausgewiesen. Man konnte als Deutscher diese Geschäfte betreten, doch es gab eine unsichtbare Schranke, eine Hemmung, das zu tun, obwohl die Sonderkontingente Apfelsinen und Bananen lockten. Die Kugeln des seltsamen, rechenbrettartigen Geräts, Stschoty genannt, ein Abakus, mit dem die Verkäuferinnen blitzschnell hantierten und die Einzelposten aufaddierten, klackten in bedrückender Stille, in die wie in einen Abgrund die silbrige Zwitschersprache der Offiziersgattinnen mit dem Eintreten des»Nemez«, des Deutschen, gestürzt war. Wenn ich in die Landesbibliothek ging, die sich damals in der Marienallee befand (mit einer Phonothek-Zweigstelle in der Garnisonkirche), blieb ich oft vor den Plakatwänden an der Kurt-Fischer-Allee, inzwischen Stauffenbergallee, stehen, auf

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