Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
Kühlschranktür, das leise Klirren der Gläser, der Regen, der wie ein Wasserfall an den Fenstern entlangrann. Dann Musik: Hutch hatte meinen iPod entdeckt. Melody Gardot sang »Love Me Like a River Does«. Und Hutch setzte sich neben mich.
»Kennst du ihre Musik?«, fragte er.
»Nein.« Ich drehte mich zu ihm und lächelte. »Ich habe sie bloß auf dem iPod.«
Er gab mir ein Glas Wein. »Sie gehört zu meinen Lieblingsmusikern, aber kaum jemand kennt sie, und wer sie hört, hält sie meistens –«
»Für Norah Jones.«
»Genau«, sagte er, nahm einen Schluck Wein und sah zu, wie ich den Pool zeichnete.
Wir schwiegen eine ganze Weile, hörten Melody von Liebe und Schmerz singen, und als der Pool fertig war, sagte Hutch: »Und abends trafen sie sich in den Bars.«
»Schwer vorstellbar.«
Er legte seine Hand auf meine. »Ich vermute mal, gleich nach der Busverbrennung kamen sie voller Wut wieder zusammen und planten die nächsten Aktionen. Ich sehe sie in verrauchten Kaschemmen sitzen, Jazz oder Bluegrass hören und Bourbon trinken …«
Wieder schwebte meine Hand über das Papier. Eine Bar entstand, dann Menschen, weiße und schwarze, die sich zueinanderbeugten, gesichtslos, namenlos.
Der Wein war alle, der Regen mischte sich jetzt mit dem Wind und schlug heftig gegen die Fenster. Ich hörte kurz auf zu zeichnen und lauschte. Hutchs Finger strichen über meinen Arm bis zu meiner Hand, nahmen den Stift und wanden sich um meine Finger.
Er stand auf und zog mich hoch. Die Nachmittagssonne war in einer Dämmerung aus Regen und Wolken verschwunden. Zusammen setzen wir uns auf das große Sofa, mein Kopf lag auf seiner Schulter. Ohne Worte oder Erklärungen streckten wir uns aus, unsere Beine ineinander verwunden wie Äste eines einzigen Baums. Meine Flipflops fielen zu Boden, ich sah auf Hutch hinunter, mein Haar streichelte sein Gesicht. Er legte mir die Hand in den Nacken und zog mich herab, immer weiter, ich konnte seinen Mund, seine Lippen, seine Wärme schon fast spüren, aber stattdessen drückte er meinen Kopf sanft gegen seine Schulter und ließ mein Haar durch seine Finger gleiten.
»Schlaf«, sagte er. »Ich weiß, dass du schon lange nicht mehr gut geschlafen hast. Schlaf jetzt.«
»Das habe ich dir nicht erzählt«, murmelte ich.
»Das brauchst du nicht.«
Ich atmete aus und konnte nicht mehr sagen, wo mein Körper aufhörte und seiner begann.
Das Klappern und Wummern waren die Geräusche des Gewitters. Mit Mühe wachte ich aus dem tiefsten Schlaf seit einer Ewigkeit auf. Ich griff nach Hutchs Hemd, versuchte, mich zu orientieren, sah ihn an und lächelte.
»Wie spät ist es?«
»Mitternacht«, flüsterte er.
»Wow. Ich habe stundenlang geschlafen … Tut mir leid. Ich hätte wahrscheinlich auch noch hundert Jahre weitergeschlafen, wenn der Donner nicht gewesen wäre.«
»Ellie, das ist kein Donner. Jemand ist an der Tür.«
Ich sprang auf, stolperte fast, kam auf die Beine. Hutch setzte sich auf und sah sich im Raum um, als suchte er einen Fluchtweg.
Dann wurde die Tür geöffnet. Ich schloss nie ab – warum auch?
Und auf der Schwelle stand mein Ehemann, einen Regenschirm in der Hand, den Raum mit einem Blick umfassend, bebend vor Wut.
»Rusty«, sagte ich und ging auf ihn zu.
»Das ist wohl eine ziemliche Überraschung, wie?« Er schüttelte den Regenschirm ab und warf ihn ins Haus, wo er auf dem Holzfußboden landete und Regentropfen wie Tränen in alle Richtungen verteilte.
Ich drehte mich um, Hutch stand am Esstisch. »Hallo, Rusty«, sagte er und nahm auf dem Weg zur Tür die Autoschlüssel von einem Tischchen. Er streckte Rusty die Hand entgegen, aber der rannte an ihm vorbei auf mich zu.
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte Rusty.
»Wir haben gearbeitet«, sagte ich und zeigte auf die Zeitschiene.
»Mitten in der Nacht? Gearbeitet?« Er warf einen Blick auf die Zeichnung. »Ja, klar. Gearbeitet.«
Hutch machte einen Schritt auf Rusty zu. »Ja, gearbeitet. Ellie ist mir eine große Hilfe bei den Ausstellungsvorbereitungen.« Er wandte sich zu mir. »Tschüss dann. Bis demnächst.« Und weg war er.
Rusty starrte mich an und begann zu lachen, ein hysterisches Geräusch, bei dem sich mein Magen zusammenzog. »Arbeit?«
»Ja«, sagte ich. »Wow, was machst du hier?«
»Ist das das Einzige, was dir einfällt, wenn dich jemand überraschend besucht? Jemand, der dich sehen will?«
»Entschuldige«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin … überrascht.
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