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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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Ja.« Ich hatte weiche Knie.
    »Du willst wissen, warum ich hier bin? Ich sag’s dir.« Er warf eine kleine, blaue Schachtel auf den Tisch, die auf dem Bild zum Liegen kam. »Ich wollte dir etwas sagen. Willst du’s hören?«
    »Sicher.«
    »Das hier wollte ich sagen.« Er streckte die Hände aus. »Ich bin in vielen Dingen nicht so gut, bin kein perfekter Ehemann und kein perfekter Vater. Ich weiß oft nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Oder wie ich alles richtig mache. Aber eines weiß ich: Ich wollte mein Leben immer nur mit dir verbringen.«
    Ich hielt mich an der Tischkante hinter mir fest. »Oh, Rusty.«
    »Aber das wollte ich sagen. Ich habe die ganze Fahrt lang geübt und dich so sehr vermisst. Aber jetzt sage ich wohl lieber etwas anderes.«
    »Was denn?«
    »Was zum Teufel tust du?«
    »Ich weiß nicht, was ich dir sonst noch sagen soll.«
    Rusty ging zum Fenster und starrte hinaus. »Es ist wunderschön hier, Ellie. Ich verstehe, warum du nicht nach Hause kommen wolltest. So etwas wie das hier kann ich dir nicht bieten …« Das war die Stimme des »anderen« Rusty.
    »Darum geht es nicht.« Ich klang defensiv und kam mir vor wie ein Kind, dem zu Unrecht Egoismus vorgeworfen wurde. »Es tut mir leid, dass es so schwer für dich ist. Wirklich. Ich weiß, dass du das Richtige sagen und tun willst. Aber ich schaffe es einfach nicht, dir zu glauben. Das ist alles. Es geht nicht darum, dass du mir nicht genug gibst. Und auch nicht darum, dass mein Leben nicht perfekt erscheint, denn das tut es.«
    »Was willst du dann? Was ich will, ist doch wohl ganz klar. Ich will, dass du nach Hause kommst. Was willst du?«
    »Ich will, dass meine Empfindsamkeit überlebt.«
    »Und was soll ich tun?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht.«
    Vier Worte, die wie Dynamit im Raum standen.
    Er hob die Hände, bevor die Predigt begann. »Herrgott noch mal, Ellie. Du hast uns alle zu Hause sitzen lassen. Deinen Vater. Mich. Deine Freunde.« Seine Faust setzte Punkte in der Luft wie bei einer Präsentation. »Du übernimmst keine Verantwortung mehr. Ich verstehe ja, dass du wegen deiner Mutter trauerst und Lil vermisst. Aber du läufst einfach weg und sitzt jetzt hier ohne Freunde mitten im Nirgendwo.«
    »Ich habe Freunde«, flüsterte ich.
    »Wen? Die beste Freundin deiner Mutter und einen Exfreund?«
    »Hör auf«, sagte ich.
    »Okay, so hatte ich das alles nicht geplant.« Er rieb sich Gesicht und Augen. »Aber ich verstehe es einfach nicht. Eben noch ist alles gut zwischen uns, und auf einmal heulst du dir wegen eines Vogels die Augen aus, packst die Koffer und haust ab nach Alabama, wo du alleine mit deinem Exfreund in einem Gästehaus hockst. Im Ernst, was zum Teufel geht hier eigentlich vor? Ich will, dass du nach Hause kommst. Ich will unser Leben zurück. Wir haben so hart gearbeitet und sind so weit gekommen. Ich verstehe, wenn du Zeit für dich brauchst, aber es reicht jetzt. Es reicht wirklich.« Er ließ sich rückwärts in einen Sessel fallen und verbarg das Gesicht in den Händen. »Ich habe dich noch nie so erlebt, und ich hasse es.«
    Langsam ging ich zu ihm.
    »Du bist besessen von den Angelegenheiten deiner Mutter.« Er zeigte auf den Tisch. »Was ist das, die Wechseljahre – musst du dich selber finden? Weißt du, wie klischeehaft das klingt?«
    »Ich habe nie gesagt, dass ›ich mich selber finden muss‹. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich meine Mutter neu kennenlernen will. Und vielleicht, ganz vielleicht verstehe ich mich dann selber auch besser.«
    »Kommt aufs Gleiche raus«, sagte er.
    »Nein, das kommt nicht aufs Gleiche raus. Hörst du mich nicht? Bitte. Ich will nicht, dass du das Richtige sagst und mir Dinge gibst – ich will, dass du mich hörst .«
    »Ich höre dich klar und deutlich. Aber was du sagst, ergibt keinen Sinn.«
    »Vielleicht nicht den Sinn, den du hören willst.« Eine Stärke, von der ich bis jetzt nichts geahnt hatte, schwang wie Stahl in diesen Worten mit. Ich zitterte nicht. Meine Kehle war nicht wie zugeschnürt, und die Faust in meinem Magen öffnete sich und wedelte mit den Fingern.
    Er sprang auf, machte drei große Schritte auf mich zu und schlug mit der Hand auf den Esstisch. Die Zeichenkohle fiel zu Boden, ein Bleistift rollte über den Holztisch.
    In meiner Brust brach ein Sturm der Wut los. Ich würde ihm nicht erlauben, meine Gefühle zu benutzen, um seinen verzweifelten Kontrollwahn zu stillen. Wenn ich jetzt klein beigab, dann wäre es vorbei, ich

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