Die Schwerelosen
der Witz in terrestrischen Koordinaten enden würde.
Wissen Sie, dass Schokoladeneis aus Kokainpulver gemacht wird?
Nein, Mister.
Das sagt mein Bruder Langley. Kennen Sie den?
Ihren Bruder? Nein, Mister.
Ich setzte mich zu Homer auf die Stufe.
Er ist ein guter Kerl. Ein bisschen verkommen, aber auf seine Weise bemüht. Er sagt: Wenn ich mich jeden Morgen eine Stunde in die Sonne setze und genug Kokaineis esse, dann werde ich nach und nach wieder etwas sehen können.
Was Sie nicht sagen. Sie sind blind?
Homer nahm die dunkle Brille ab und lächelte mich an, – er hatte Zähne wie ein Pferd, groß, oval und gelb.
*
Wenn ich dem Mittleren die Zähne putze, zählen wir bis zehn für die mittleren Zähne der oberen Reihe, bis zehn für die untere Reihe, bis fünfzehn für die Backenzähne auf der einen Seite (oben und unten) und bis fünfzehn auf der anderen. Einmal Gurgeln bis fünf, noch einmal, und ab ins Bett.
*
Ich mochte diese langen Stammtischabende, um langsam Abstand zu gewinnen, alle Gesprächspartner zu verachten, zuspüren, dass die Welt mir zu eng war. Amero bestellte uns in eine Bar, wo wir fast immer die einzigen Weißen waren. Der Besitzer ließ sich »Mexico« nennen (er war ein waschechter Yankee, der in der mexikanischen Revolution aufseiten von Pancho Villa gekämpft hatte und sich schon deshalb für die Metonymie des Landes hielt). Ich ging selten zu solchen Treffen, aber wenn ich es tat, dann ließ ich mich für länger nieder. Die Stammbesetzung waren Emilio Amero, Gabriel García Maroto und Federico, der meistens Nella Larsen mitbrachte. Manchmal kamen ich und unser Freund Z hinzu, der zwischen Whisky und Whisky gern auf den
objectivism
zu sprechen kam, ein Wort, das Federico einfach nicht aussprechen konnte. Er sagte so etwas wie »objetivicio«, und dann drehte er sich, auf der Suche nach einem Komplizen, zu mir hin.
In jener Nacht haben wir alle wie die Damen getrunken und waren dennoch wie Schweine besoffen. Ich glaube, Nella Larsen verspürte von Anfang an nur Mitleid mit uns, denn sie setzte sich an einen anderen Tisch, bevor die Show begann. In der einen Ecke der Bar wurde der berühmte Duke Ellington vorgestellt, den ich nur vom Hörensagen kannte. Federico stand auf und zog sich die Socken hoch. Er hatte kurze, feiste Beinchen, voller drahtiger Haare, und der Arme bestand darauf, kurze Hosen zu tragen (eine Marotte von Europäern und warmen Brüdern). Der Españolet klatschte so euphorisch, dass der Musiker, bevor er sich ans Klavier setzte, den Hut zog und ihm persönlich für den Applaus dankte. Federico drehte sich zu mir um, als wolle er sagen: Hast du gesehen, der Duke und ich sind auf gut Spanisch Kumpeloder Kollegen. Der Mann setzte sich ans Klavier und legte los. Z nahm die Brille ab und legte sie auf den Tisch zwischen die Gläser. García Maroto, vermutlich der langweiligste Mensch der Welt, hörte sich das gesamte Konzert mit geschlossenen Augen an, aber vielleicht ist er ja auch nur eingeschlafen.
Nach Ende des ersten
set
, in einer kurzen Pause beim Applaus, beugte sich Federico zu meinem Ohr und sagte: Dreh dich nicht um, hinter dir steht Ezra Pound. Ich bin so schnell vom Stuhl aufgesprungen, dass ich fast den Tisch umgekippt hätte. Die Gläser fielen hin, die Aschenbecher kippten, die Eiswürfel sprangen. García Maroto schreckte aus dem Schlaf hoch und stoppte das Erdbeben mit einem Prankenschlag, der auf der Brille unseres Freundes Z landete. Sie ging zu Bruch, und winzige Glassplitter flogen herum wie Fragmente einer Kinderwelt:
that chair, that man, that poet, that sad, that broken: that broken sad poet man.
Federico bekam einen Lachanfall, und der arme Z kroch auf dem Boden herum, um die Teile seiner Brille einzusammeln. Du bist vielleicht blauäugig, mein Mexikanerchen, wie sollte Pound denn hier sein?, sagte Federico zwischen Lachsalven (er hatte eine rote, raue kleine Zunge, wie eine Katze, und streckte sie beim Lachen womöglich etwas zu weit heraus). Wir machten so einen Aufstand, dass eine Art Gorilla, zwei Meter groß mit Krawatte, und zwei weitere Affen, ebensolche Laffen, herankamen und uns hochkant hinauswarfen. Es ist gut möglich, dass mich nach dem Verlassen der Bar jemand niedergestochen und mir die Schuhe und mein ganzes Geld geraubt hat, denn ichwachte am nächsten Tag barfuß und ohne einen Cent in einem Harlemer Hospital auf. Da muss ich zum zweiten Mal gestorben sein.
*
Merke: (Owen an Araceli Otero) Ich sterbe nicht mehr so
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