Die Schwerelosen
Spezialdecken vergessen haben, die ihre Mutter für Landpartien bereitliegen hat.
Wir können keine Melone mehr essen, Papa, wir platzen, flehen sie.
Esst nur weiter, nichts ist gratis.
Nichts außer dem Schnaps aus Cundinamarca, der mir gut bekommt. Alkohol hat für einen Mann in meinem Zustand etwas Mirakulöses: Er löst irgendetwas, entspannt die Nerven auf der Rückseite des Augapfels und lässt das sehen, was sich schon lange hinter den Katarakten versteckte.
Ich erkenne eine Familie, wenige Meter vor uns. Es sind Schwarze. Sie haben Tischdecken dabei, Musik, Getränke, Kinder mit Baseballhandschuhen. Ein wenig betrunken und mutig geworden, gehe ich zu der Gruppe und schließe Freundschaft mit dem Familienoberhaupt. Er bietet mir einen Rum an. Mein Aguardiente ist ausgetrunken, also nehme ich an. Ich rufe meine Kinder, die angesichts des neuen Klans etwas zögern, doch schließlich ist der Junge bereit, sich den Handschuh anzuziehen. Die Kinder spielen Baseball im Morningside: Das ist fast so etwas wie Glück.
Ich setze mich auf die Kante eines Steins, von wo aus ich das Fenster meines ehemaligen Zimmers sehe, im Haus Nummer 63 der Straße, die am Park entlangführt. Ich kann das Fenster natürlich nicht erkennen, aber es ist ein Bild, das ich gut kenne und leicht wieder zusammensetzen kann. Mit jedem neuen Schluck stellt sich zudem ein weiterer Farbton wieder ein, und die verlorenen Umrisse der Dinge werden deutlicher. Der Bildausschnitt wird dann und wann von den großen Brüsten der Frau meines neuen Freundes durchbrochen. An diesem Fenster saß ich und schrieb an Clementina Otero, bat sie ein ums andere Mal, mich zu heiraten. Die enormen Brüste tanzen, sie tanzt und isst das letzte Stück Wassermelone – unser einziger Beitrag zu dem Mahl. Mein Sohn hat einen
home run
gemeistert, berichtet mir das Familienoberhaupt, und aus der Ferne klatschen wir alle. Eben dort hatte ich obsessiv Englisch gelernt, Wörter in den Heften des
New Yorker
unterstrichen, welche die Haushälterin in ein Regal neben mehrere Ausgaben der Bibel legte,
always New Testament.
Die Frau beißt in die Wassermelone und schaut mich an,
hey, Mexican poet
, sagt sie zu mir, und alles fließt, tropft, und ein kleiner schwarzer Kern bleibt an der Linie des Ausschnitts kleben. Ich sehe den Kern genau, und mein Anglerauge hakt sich daran fest, ein letzter Halt auf meinem Planet der Schatten. Ich masturbierte, war jung und sah in eben dem Fenster mein nacktes Spiegelbild. Die Jungen werfen sich auf meinen Sohn und bilden einen kleinen schwarz-weißen Hügel über ihm: Papa, schreit er von fern, Papa, die hauen mich. Sie tanzt, tanzt mich. Die Linie, der Kern, mein heutiger Körper, der sich über sie beugt, meine fetten Arme langen zu, legen sich um ihre Mitte, ihre Klapse,
you madafaka
, meine Zunge, die sich auf den Kern stürzt, die weiche Linie des Ausschnitts entlangfährt. Papa, es gab einen
Spanish poet
, der war besser als ich, er hieß Federico, die hauen mich, Papa, die Schwarze schmeckt nach Lotion, und dann gab es noch einen sehr guten,
that American Poet
, der hieß Z, ein trockener Schlag ins Genick, das Oberhaupt schlägt mit der leeren Flasche wieder und wieder auf mich ein, allenthalben Glas, tausend Scherben stecken in meinem Kopf, alles schwindet. Die Jungen spielen Baseball, und eine Ähre kitzelt mich am rechten Ohr.
*
Merke: (Owen an Araceli Otero) Die Schwarzen sind durchsichtig. Nachts kleiden sie sich in Glas. Manchmal bin ich durch Harlem gelaufen in einem Strom der Stimmen, kein Flussbett, auch keine Quelle (der Schrei, den niemand ausgestoßen hat). Durch alle hindurch wardurchsichtig die Nacht zu sehen … Sie reden so wie Deine Leute aus Yucatán.
C’mon, c’mon in, mise, two dollahs.
Eines Tages bin ich hineingegangen. Man kann nicht schreiben ohne Musik und Choreografie.
*
Vor wem versteckst du dich, Mama? Vor Papa?
Nein.
Vor Mitohnegesicht?
Vor niemandem.
Wenn du dich verstecken willst, Mama, musst du einen versteckigeren Ort finden?
Ist das Bett nicht versteckig?
Nein, das Bett ist hüpfig und, wenn ich rennen will, manchmal auch störig.
*
Federico und ich beschlossen, eine Gruppe zu gründen, die sich von unserem Freund Z inspirieren ließ. Vielleicht auf seine Kosten, aber nicht unbedingt zu seinem Schaden, das ist nicht das Gleiche. Es war Federicos Idee, aber ich war all mählich zu seinem Spießgesellen geworden, sodass ich nicht nur darauf einging, sondern darin aufging und manche Idee
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