Die Schwester der Braut
Regentropfen mischten sich mit Danas Tränen. Sie sah hinauf in den Himmel und ließ die kalten Tropfen ihr Gesicht benetzen. Dann stand sie auf.
»Ich liebe dich, Josh.« Sie hatte ihm an diesem Tag nichts zu erzählen gehabt. Die Dinge, die sie beschäftigten, waren zu aufwühlend, als dass sie Worte gefunden hätte. Der Schmerz über ihren Verlust machte sie ebenfalls sprachlos. Tränen drückten so viel besser aus, was sie empfand.
Dana wandte sich vom Grabstein ihres Sohnes ab und ging die ersten Schritte gesenkten Hauptes. Als sie aufsah, entdeckte sie ihren Ehemann an der Pforte zu den Parkplätzen. Er hielt einen großen schwarzen Schirm über sich und trug einen dunklen Anzug mit hellblauer Krawatte.
Seine Miene war ernst. »Hallo, Dana«, sagte er, sobald sie ihn erreichte. Er hielt seinen Schirm auch über sie und kam noch ein Stück näher heran, um sie beide vor dem Regen zu schützen.
»Hallo, Brian«, kam es tonlos von seiner Frau.
Sie wirkte blass auf Brian. Offenbar hatte sie seit seinem Auszug ein paar Kilos verloren. »Wie geht es dir?«, fragte er unnötigerweise. Wie sollte es ihr schon gehen?
Dana schüttelte den Kopf und bat ihn stumm bloß jetzt keinen Small-Talk auszutauschen. Nicht heute und nicht hier.
»Es tut mir leid wegen dem, was ich das letzte Mal gesagt habe. Es . . . es ist nicht leicht, ich weiß.«
Sie nickte auf seine Worte, fand aber keine Entschuldigung für ihr eigenes Verhalten bei ihrer letzten Begegnung.
Das ärgerte ihn. Dana schien immer ein bisschen mehr im Recht zu sein als er und immer ein bisschen mehr zu leiden. »Ich habe gehört, du gehst wieder aus«, kam es kurz darauf von ihm.
Dana sah ihn verständnislos an.
»Du hattest ein Kaffee-Date mit einem Mann«, spezifizierte er.
Ihr Blick wirkte noch immer leer, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. Tatsächlich wusste sie, worauf er hinauswollte. Sie konnte nur nicht glauben, dass er sie darauf ansprach. Nicht an diesem Tag, nicht an diesem Ort.
»Ich habe auch gehört, dass er dein Sohn sein könnte.«
Dana schloss die Augen.
Brian schien sich im selben Moment bewusst zu werden, was er da gesagt hatte, nicht einmal zwanzig Meter vom Grab seines toten Sohnes entfernt. »Ich . . . es tut mir leid, Dana. Ich . . .«
»Ich finde es erstaunlich, dass eine harmlose Verabredung mit einem Kollegen dich so aufwühlt. Und dass es offensichtlich irgendjemand interessant genug findet, dir davon zu erzählen«, bemerkte sie ruhig, doch ihre Stimme hatte einen gereizten Unterton.
»Ein Kollege?«, fragte Brian nach.
»Nicht, dass es dich etwas angeht, mit wem ich meinen Kaffee trinke, aber ja, Louis ist der Barkeeper im Giordelli’s .«
Brian nickte. Er erinnerte sich vage an den jungen Afro-Amerikaner.
»Ich werde jetzt gehen.« Dana legte ihre Hand an die Pforte.
Brian legte ihr seine eigene Hand auf den Unterarm und hielt sie auf.
Dana blickte zu ihm hoch.
»Ich wollte nicht, dass es so kommt«, sagte er. Er spezifizierte nicht, ob er von der Scheidung, dem Tod ihres Sohnes oder etwas anderem sprach – vielleicht von der Art und Weise, wie er sich verhielt, seit er seine Koffer gepackt hatte. Es war auch gar nicht wichtig, was er meinte. Dana konnte es sich aussuchen und ihm vergeben.
Dana war sich allerdings nicht sicher, ob sie das wollte oder würde. Sie nickte auf seine Worte nur, öffnete die Pforte und verließ Brian ohne ein weiteres Wort.
Das Telefon klingelte. Alex kam gerade zur Tür herein. Mit großen Schritten eilte sie ins Wohnzimmer und nahm das schnurlose Telefon auf.
»Hallo?«, meldete sie sich. Das erste, was sie am anderen Ende hörte, war ein Schluchzen. »Dana? Was ist passiert?« Regungslos stand Alex in ihrem Wohnzimmer und lauschte dem Weinen am anderen Ende der Leitung. »Okay, hör zu. Ich setze mich ins Auto und bin so schnell ich kann . . .«
»Nein«, entgegnete Dana. »Ich . . .« Sie versuchte zu sprechen. Ihre Tränen ließen kaum Worte zu.
Alex wartete geduldig. Sie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte. Ihre Wohnungstür stand noch immer offen, ihre Laptop-Tasche hielt sie noch immer in der Hand.
Nach einer Weile bekam Dana ihr Schluchzen unter Kontrolle. »Würdest du einfach ein bisschen mit mir reden?«, fragte sie mit dünner Stimme.
»Natürlich. Ist etwas passiert?«, fragte Alex noch einmal. Sie hörte, wie Dana sich die Nase schnäuzte. »Bleibst du kurz dran? Ich bin gerade erst zur Tür herein.«
»Ja, ist gut.«
Alex legte
Weitere Kostenlose Bücher