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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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war.
    »Ich muß Euch also mitteilen, daß unsere Ehe tatsächlich ungesetzlich war und annulliert werden muß.«
    Die Königin hob ihr tränennasses Gesicht. »Wir hatten einen Dispens.«
    »Selbst der Papst kann keinen Dispens vom Gesetz Gottes gewähren«, sagte Henry bestimmt.
    »Es ist nicht das Gesetz Gottes …«, flüsterte sie.
    »Diskutiert nicht mit mir, Madam«, unterbrach Henry sie. Er fürchtete ihre Intelligenz. »Ihr müßt lernen, nicht länger meine Frau und meine Königin zu sein. Ihr müßt Euren Platz räumen.«
    Sie wandte ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu. »Ich kann meinen Platz nicht räumen. Ich bin Eure Ehefrau und |279| Eure Königin. Nichts kann etwas daran ändern. Nichts kann das rückgängig machen.«
    Er schritt zur Tür, wollte ihren Schmerz nicht mehr länger mit ansehen. »Ich habe es Euch mitgeteilt, Ihr habt es nun aus meinem eigenen Mund vernommen«, sagte er von der Tür aus. »Ihr könnt Euch also nicht beklagen, ich sei nicht offen und ehrlich zu Euch gewesen. Ich habe Euch erklärt, daß es so sein muß.«
    »Ich liebe Euch schon viele Jahre«, rief sie hinter ihm her. »Ich habe Euch mein ganzes Leben geschenkt. Sagt mir, was habe ich getan, um Euren Unwillen auf mich zu ziehen? Was habe ich je getan, das Euch mißfallen hat?«
    Er war schon beinahe fort, und ich drückte mich an die Holzpaneele, damit er an mir vorbei konnte. Als er diese letzte flehentliche Frage hörte, hielt er inne.
    »Ihr solltet mir einen Sohn schenken«, erwiderte er schlicht. »Und das habt Ihr nicht getan.«
    »Ich habe es versucht! Gott weiß, Henry! Ich habe es versucht! Ich habe Euch einen Sohn geboren. Es war nicht meine Schuld, daß er nicht am Leben blieb. Gott wollte unseren kleinen Prinzen im Himmel bei sich haben. Das war nicht meine Schuld.«
    Der Schmerz in ihrer Stimme rührte ihn sichtlich an, aber er wich weiter zurück. »Ihr solltet mir einen Sohn schenken«, wiederholte er. »Ich brauche einen Sohn für England, Katharine. Und Ihr …«
    »Ja?« sagte sie, ihr Mut schien plötzlich wieder zu ihr zurückzukehren. »Was ist mit mir? Kloster? Greisenalter? Tod? Ich bin eine spanische Prinzessin und Königin von England. Was könnt Ihr mir statt dessen bieten?«
    »Es ist Gottes Wille!«
    Sie lachte auf, es klang grausig und wild, so wie ihr Weinen gewesen war. »Gottes Wille, daß Ihr Euch von Eurer angetrauten Ehefrau abwendet und einen Niemand heiratet? Eine kleine Hure? Die Schwester Eurer Hure?«
    Ich erstarrte, aber Henry war bereits gegangen, hatte sich an mir vorüber aus der Tür gedrängt. »Es ist Gottes Wille, und |280| es ist mein Wille!« schrie er aus dem Vorzimmer zurück. Dann hörten wir die Tür zuschlagen.
    Ich schlich zurück, verzweifelt darum bemüht, sie nicht merken zu lassen, daß ich sie hatte weinen sehen, am liebsten wäre ich, die sie als Hure bezeichnet hatte, unsichtbar geworden. Sie hob den Kopf und sagte nur schlicht:
    »Helft mir, Mary.«
    Schweigend ging ich zu ihr. Es war das erste Mal in den sieben Jahren, die ich sie kannte, daß sie mich um Hilfe bat. Sie streckte mir den Arm entgegen, damit ich sie auf die Füße zog, und ich merkte, daß sie kaum stehen konnte. Ihre Augen waren rotgeweint.
    »Ihr solltet Euch ausruhen, Majestät«, riet ich ihr.
    »Ich kann nicht ruhen«, erwiderte sie. »Helft mir zu meinem Gebetsstuhl, und gebt mir meinen Rosenkranz.«
    »Majestät …«
    »Mary«, krächzte sie, heiser vom Weinen. »Er wird mich zerstören, er wird unsere Tochter enterben, er wird dieses Land in den Ruin treiben, und er wird seine unsterbliche Seele zu Höllenqualen verdammen. Ich muß für ihn beten, für mich und für unser Land. Und dann muß ich an meinen Neffen schreiben.«
    »Majestät, man wird niemals zulassen, daß dieser Brief ihn erreicht.«
    »Ich habe meine Kanäle.«
    »Schreibt nichts, was man gegen Euch verwenden könnte.«
    Sie fuhr zusammen, als sie die Furcht in meiner Stimme hörte. Schließlich lächelte sie bitter. »Warum?« fragte sie. »Glaubt Ihr, es könnte noch Schlimmeres geben als dies hier? Man kann mich nicht des Hochverrates anklagen, ich bin die Königin von England, ich
bin
England. Ich kann nicht geschieden werden, ich bin die Frau des Königs. Er ist in diesem Frühjahr wahnsinnig geworden, bis zum Herbst wird er sich davon erholen. Ich muß nur den Sommer überstehen.«
    »Den Sommer der Boleyns«, sagte ich und dachte an Anne.
    »Den Sommer der Boleyns«, wiederholte sie. »Länger kann es nicht

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