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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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würde ja sagen, aber dann machte er eine kleine Verbeugung und erwiderte: »Ich esse mit den Männern.«
    Ich war ein wenig verärgert, weil er meine Einladung ausgeschlagen hatte. »Wie Ihr wünscht«, meinte ich kühl und trat in das niedrige Gastzimmer. Ich wärmte mir die Hände am Feuer und schaute durch das kleine, bleiverglaste Fenster zu, wie die Männer die Pferde ausschirrten und trockenrieben, ehe sie selbst etwas aßen. William Stafford beaufsichtigte sie. Er sieht gut aus, überlegte ich. Schade, daß er so schlechte Manieren hat.
     
    In jenem Sommer sollten Henrys goldene Locken abgeschnitten werden, und Catherine sollte nicht mehr ihre kurzen Kleidchen, sondern ihrem Alter geziemende Gewänder tragen. Außerdem sollte Henry nun ein Wams und eine lange Hose anziehen. Ich hätte ihnen liebend gern noch ein Jahr in Kinderkleidern genehmigt, aber Großmutter Boleyn bestand |353| darauf, daß sie beide dafür schon zu groß seien. Und ich traute ihr auch durchaus zu, daß sie Anne in einem Brief mitteilen würde, daß ich ihr Mündel nicht angemessen erzog.
    Henrys Haar war weicher als Flaumfedern. Die langen goldenen Locken fielen ihm bis auf die Schultern und rahmten sein waches kleines Gesicht ein.
    Er war natürlich sehr dafür, daß die Lockenpracht fiel, noch dazu wünschte er sich ein Schwert und ein eigenes Pony. Er wollte wie George an den französischen Hof gehen und kämpfen lernen, auf einen Kreuzzug ausziehen und in Turnieren reiten, so schnell wie möglich erwachsen werden, während ich ihn immer nur weiter in den Armen halten wollte, meinen kleinen Jungen.
    William Stafford stieß bei der Steinbank am Wassergraben, unserem Lieblingsplatz, zu uns. Henry war den ganzen Morgen herumgetollt und nun rechtschaffen müde. Er lag in meine Arme geschmiegt und lutschte am Daumen. Catherine planschte mit nackten Füßen im Wassergraben.
    Stafford bemerkte, daß mir Tränen in den Augen standen, und sagte leise, um meinen kleinen Jungen nicht zu wecken: »Es tut mir leid, daß ich Euch störe. Ich wollte Euch nur mitteilen, daß wir jetzt nach London aufbrechen, und fragen, ob Ihr Aufträge für mich habt.«
    »Ich möchte Euch Obst und Gemüse für die Küche meiner Mutter mitgeben.«
    Er nickte, wirkte unentschlossen. »Verzeiht mir«, sagte er dann verlegen. »Ich habe bemerkt, daß Ihr weint. Kann ich irgend etwas für Euch tun? Euer Onkel hat Euch meiner Obhut anvertraut. Es ist meine Pflicht, herauszufinden, ob Euch etwas Unmut bereitet hat.«
    Darüber mußte ich lachen. »Nein. Ich mußte nur meinen kleinen Henry heute in lange Hosen stecken. Und ich möchte nicht, daß er oder Catherine je erwachsen werden. Wenn ich noch einen Mann hätte, so hätte er mir diese unangenehme Aufgabe abgenommen.«
    »Vermißt Ihr Euren Mann?« wollte er wissen.
    »Ein wenig.« Ich überlegte, wieviel Stafford wohl über |354| meine Ehe wußte, die kaum eine gewesen war. »Wir haben nicht viel Zeit miteinander verbracht.«
    »Ich meine, ob Ihr ihn jetzt vermißt«, sagte er und bewies, daß er viel gescheiter war, als ich vermutet hatte. »Jetzt, da Ihr die Gunst des Königs nicht mehr besitzt. Jetzt wäre doch die Zeit gekommen, da Ihr vielleicht mit Eurem Gatten ein Kind hättet haben können, nicht wahr? Einen neuen Anfang hättet machen können?«
    Ich zögerte. »Das stimmt wohl.« Ich wollte nur ungern meine Zukunft mit jemandem besprechen, der nichts als ein kleiner Niemand im Gefolge meines Onkel war.
    »Aber die Lage ist doch nicht sehr angenehm für Euch, eine junge Frau von zweiundzwanzig Jahren mit zwei kleinen Kindern. Ihr habt noch Euer ganzes Leben vor Euch, und doch ist Eure Zukunft so eng mit der Eurer Schwester verknüpft. Ihr steht in ihrem Schatten. Ihr, die einstmals der Liebling aller wart.«
    Es war eine so schonungslose und genaue Zusammenfassung meiner Situation, daß ich angesichts der Aussichten, die er mir da vor Augen stellte, beinahe erstickt wäre. »So ist nun einmal das Los der Frauen«, bemerkte ich unverblümt. »Ich würde es mir so nicht aussuchen, das gebe ich zu. Aber wir Frauen sind Spielbälle des Schicksals. Wenn mein Mann noch lebte, wären ihm große Ehrungen zuteil geworden. Mein Bruder ist Lord George, mein Vater ist Graf geworden, und ich hätte Anteil an seinem Wohlstand gehabt. Aber wie die Sache steht, bin ich nur ein Boleyn-Mädchen und eine Howard. Ich bin nicht arm, habe durchaus Aussichten.«
    »Ihr liebt das Abenteuer«, meinte er. »Wie ich auch. Oder Ihr

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