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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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auch einfach verstoßen und eine Hübschere heiraten.«
     
    Anne weigerte sich rundweg, das Weihnachtfest in Greenwich zu verbringen, wenn nicht sie im Mittelpunkt stünde. Obwohl Henry immer wieder versuchte, ihr zu erklären, daß es das beste für ihre Sache wäre, beschuldigte sie ihn, er zöge es vor, die Königin an seiner Seite zu haben.
    »Ich gehe!« warf sie ihm an den Kopf. »Ich bleibe nicht hier und lasse mich vernachlässigen und beleidigen. Ich gehe nach Hever. Ich werde Weihnachten dort sein. Oder vielleicht kehre ich an den französischen Hof zurück. Mein Vater ist ja schon da. Ich könnte dort eine glückliche Zeit verleben, denke ich. In Frankreich hat man mich immer sehr bewundert.«
    Er wurde kreidebleich. »Anne, meine Liebste, sagt nicht so etwas.«
    Sie fuhr zu ihm herum. »Eure Liebste? Ihr wollt mich nicht einmal am Weihnachtstag an Eurer Seite haben!«
    »Natürlich will ich das, an diesem und an jedem anderen Tag. Aber wenn Campeggio in diesem Augenblick dem Papst Bericht erstattet, dann möchte ich allen kundtun, daß ich die Königin aus den hehrsten und reinsten Gründen verstoße.«
    »Und ich bin wohl unrein?« wollte sie wissen und krallte sich an dem Wort fest.
    Ihr scharfer, schneller Verstand wurde nun als Waffe gegen Henry eingesetzt. Und er war ihm hilflos ausgeliefert.
    »Meine Allerliebste, Ihr seid ein Engel«, erwiderte er. »Und ich möchte, daß alle Welt das auch weiß. Ich habe der Königin mitgeteilt, daß Ihr meine Frau werden sollt, weil Ihr das Beste seid, was England zu bieten hat.«
    »Ihr sprecht mit ihr über mich?« Sie schrie leise auf. »O nein! Das häuft noch eine weitere Beleidigung auf all die anderen. |348| Und sie erwidert Euch wohl, daß ich mitnichten ein Engel war, als ich ihr als Hofdame diente. Sie erklärt Euch vielleicht, daß ich es nicht wert bin, Eure Hemden zu nähen!«
    Henry ließ den Kopf in die Hände sinken. »Anne!«
    Sie wandte sich abrupt zum Fenster. Ich hielt den Kopf über mein Buch gesenkt, das ich zu lesen vorgab, ließ meinen Finger an den Zeilen entlangfahren, sah aber nichts. Heimlich beobachteten wir sie alle beide, der König und ich, seine vormalige Mätresse. Ihre Schultern strafften sich, sie schluchzte ein paarmal auf, dann wandte sie sich entspannter wieder zu ihm. In ihren Augen schimmerten Tränen, der Zorn hatte ihre Wangen gerötet. Sie wirkte erregt. Sie ging auf ihn zu und nahm ihn bei den Händen.
    »Vergebt mir«, gurrte sie. »Vergebt mir, Liebster.«
    So leise ich konnte, erhob ich mich von meinem Platz und verließ das Zimmer. Während ich die Tür hinter mir schloß, hörte ich sie sagen: »Ich halte mich in Durham House auf, und es wird Euch teuer zu stehen kommen, daß ich Weihnachten dort verbringen muß.«
     
    Die Königin hieß mich mit einem kleinen Lächeln des Triumphes in ihren Gemächern willkommen. Die Ärmste glaubte, daß Annes Abwesenheit eine Schwächung ihres Einflusses bedeutete. Sie hatte nicht, wie ich, die lange Liste der Bußen mit angehört, die Anne ihrem Geliebten auferlegt hatte, um sie für ihr Fernbleiben vom Hof zu entschädigen. Im Gegensatz zu uns anderen bei Hof wußte sie nicht, daß Henrys Höflichkeit während der Weihnachtstage nur reine Formsache war.
    Sie sollte es bald genug herausfinden. Nie speiste er allein mit ihr in ihren Gemächern. Nie sprach er unter vier Augen mit ihr. Er tanzte kein einziges Mal mit ihr. Vielmehr entschuldigte er sich beinahe von allen Tänzen und schaute nur zu. Es waren einige neue junge Mädchen bei Hof erschienen, die von ihren Partnern vor seinen Augen herumgewirbelt wurden, eine neue Percy-Erbin, ein neues Seymour-Mädchen. Aber der König ließ sich nicht ablenken. Er saß neben seiner Frau, schaute mißmutig drein und dachte an seine Mätresse.
    |349| In jener Nacht kniete die Königin sehr lange auf ihrem Gebetsstuhl, und die anderen Hofdamen nickten auf ihren Stühlen ein, während wir darauf warteten, daß sie uns entlassen und ins Bett schicken würde. Als sie sich erhob und sich zu uns umwandte, war nur ich allein noch wach.
    »Ein halbes Dutzend ungetreue Petrusse«, sagte sie, als sie die Nachlässigkeit der anderen in ihrer Zeit der Trauer bemerkte.
    »Es tut mir leid«, erwiderte ich.
    »Ob sie hier ist oder nicht, scheint völlig ohne Bedeutung zu sein«, sagte sie mit verzweifelter Einsicht. Sie neigte den Kopf unter der schweren Haube. Ich trat vor, zog die Nadeln heraus und hob sie ihr vom Kopf. Ihr Haar war inzwischen

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