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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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die sich um ein Gasthaus an einer Wegkreuzung scharten. Das Herrenhaus meiner Familie lag ein wenig abseits hinter hohen Backsteinmauern inmitten eines ansehnlichen Parks. Ich befürchtete nicht, daß mich unsere Bediensteten sehen könnten, denn sie würden mich ohnehin nicht erkennen.
    Ein Bursche von ungefähr zwanzig Jahren stand lässig an eine Hauswand gelehnt und hielt die leere Straße im Auge. Es |466| war windig und außerordentlich kalt. Ich hob das Kinn und rief dem jungen Mann zu: »William Staffords Hof?«
    Er nahm den Strohhalm aus dem Mund und kam zu mir geschlendert. Ich wendete mein Pferd ein wenig, so daß er die Hand nicht an die Zügel legen konnte. Er trat einen Schritt zurück, als die mächtige Kruppe meiner Stute herumfuhr, und zupfte an seiner Stirnlocke.
    »William Stafford?« wiederholte er völlig verdattert.
    Ich holte einen Penny aus meiner Tasche und hielt ihm die Münze zwischen meinem behandschuhten Finger und Daumen hin. »Ja«, antwortete ich.
    »Der neue Herr?« fragte er. »Aus London? Appletree Farm«, sagte er und zeigte die Straße hinunter. »Nach rechts, auf den Fluß zu. Strohgedecktes Haus mit einem Stallhof. Apfelbaum an der Straße.«
    Ich warf ihm die Münze zu, und er fing sie geschickt mit einer Hand auf. »Seid Ihr auch aus London?« fragte er neugierig.
    »Nein«, erwiderte ich. »Aus Kent.«
    Dann machte ich kehrt und ritt die Straße entlang, hielt nach dem Fluß Ausschau, nach einem Apfelbaum und einem strohgedeckten Haus mit einem Stallhof.
     
    Das Gelände fiel von der Straße zum Fluß hin ab. Am Ufer wuchs Schilf, und plötzlich quakte ein Schwarm Enten erschreckt, und ein Fischreiher flog auf. Die Felder waren mit Hecken und Weißdorn gesäumt, am Ufer war das Gras gelb, vielleicht vom Salzwasser, überlegte ich. In der Nähe der Straße waren die Wiesen mattgrün, wintermüde, doch im Frühling würde William wohl eine gute Heuernte davon bekommen.
    Am anderen Straßenrand lag das Land höher und war gepflügt. Wasser blitzte aus den Furchen. Dieses Land würde immer feucht sein. Weiter nördlich konnte ich Wiesen mit Apfelbäumen ausmachen. Ein einzelner, großer alter Apfelbaum neigte seine Zweige tief über die Straße, ein Büschel grüner Misteln saß dick in einer Astgabelung. Einem plötzlichen Einfall folgend, ritt ich hin, pflückte einen Zweig von dieser heidnischen |467| Pflanze und hielt ihn in der Hand, als ich von der Straße abbog und den kleinen Pfad zu Williams Bauernhaus ritt.
    Es war ein kleines Haus, wie ein Kind es malen würde, lang und niedrig, mit vier Fenstern im oberen Geschoß, zwei Fenstern und einer Tür in der Mitte im unteren. Die Tür war wie eine Stalltür in eine obere und eine untere Hälfte geteilt. Vor nicht allzu langer Zeit hatten hier sicher die Familie des Bauern und die Tiere noch zusammen unter einem Dach geschlafen. Neben dem Haus befanden sich ein recht großer, gepflasterter, sauberer Stallhof und eine Weide mit einem halben Dutzend Kühen. Ein Pferd schaute über das Gatter, in dem ich William Staffords Jagdpferd erkannte, auf dem er neben mir über den Sandstrand von Calais galoppiert war.
    Die Haustür öffnete sich, und ein Mann trat heraus, stand, die Hände in die Hüften gestützt, da und sah zu, wie ich die Straße entlanggeritten kam. Er regte sich nicht, sagte kein Wort, als ich mich dem Gartentor näherte. Ich glitt ohne Hilfe aus dem Sattel und öffnete das Tor, ohne ein Wort des Willkommens von ihm gehört zu haben. Ich band die Zügel an das Gatter und schritt, den Mistelzweig noch immer in der Hand, auf ihn zu
    Mir fehlten die Worte nach dieser langen Reise. All meine Entschlossenheit zerschellte in dem Augenblick, als ich ihn vor mir sah.
    »William«, war alles, was ich herausbrachte. Und ich streckte ihm den kleinen Mistelzweig hin.
    »Was?« fragte er wenig hilfreich zurück. Er machte noch immer keinen Schritt auf mich zu.
    Ich zog mir die Haube vom Kopf und schüttelte mein Haar. Mir war plötzlich bewußt, daß er mich stets nur gewaschen und wohlriechend erlebt hatte. Da stand ich nun, hatte drei Tage lang das gleiche Kleid getragen, war voller Flohstiche und staubig, stank nach Pferd und Schweiß.
    »Was?« wiederholte er.
    »Ich bin gekommen, um Euch zu heiraten, wenn Ihr mich noch wollt.«
    |468| Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Er blickte auf die Straße. »Wer hat Euch hergebracht?«
    »Ich bin allein gekommen.«
    »Was ist bei Hof schiefgegangen?«
    »Nichts«, erwiderte ich.

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