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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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von keinem Geringeren als Erzbischof Cranmer, der nach kürzester Befragung feststellte, daß die Ehe von Königin Katherine und Henry von Anfang an null und nichtig gewesen sei. Die Königin war vor dem Gericht, das sie verriet und entehrte, nicht einmal anwesend. Sie berief sich weiter auf Rom und ignorierte die englische Entscheidung. Töricht, wie ich war, hatte ich kurz nach ihr Ausschau gehalten, als man das Urteil verkündete, hatte gedacht, sie könnte wie damals wieder trotzig in ihrem roten Kleid dasitzen. Aber sie war weit weg, schrieb Briefe an den Papst, ihren Neffen, ihre Verbündeten, flehte sie an, darauf zu bestehen, daß der Fall gerecht und vor ehrwürdigen Richtern in Rom verhandelt würde.
    Doch Henry hatte ein weiteres Gesetz verabschiedet, daß englische Streitigkeiten nur vor englischen Gerichten verhandelt werden könnten. Plötzlich war keine Berufung auf Rom mehr möglich.
    Ostern erwähnte niemand Königin Katherine. Es war, als hätte es sie nie gegeben. Keiner schien es zu sehen, als sich die Steinmetze daran machten, die spanischen Granatäpfel aus dem königlichen Wappen zu entfernen. Niemand fragte, wie Katherines neuer Titel lautete, nun, da es in England eine neue Königin gab. Es war, als sei sie einen schmählichen Tod gestorben und wir seien nun alle bemüht, sie zu vergessen.
    Anne geriet unter dem Gewicht der Staatsrobe, der Diamanten und Juwelen in ihrem Haar, auf ihrer Schleppe, am Saum ihres Gewandes, an Hals und Armen beinahe ins Taumeln. Der Hof hatte nur ihr zu dienen und war offensichtlich |460| wenig begeistert. George erzählte mir, der König plante ihre Krönung für das Pfingstfest, das dieses Jahr in den Juni fiel.
    »In London?« fragte ich.
    »Dieses Schauspiel wird Katherines Krönung in den Schatten stellen«, meinte er. »Es muß so sein.«
    William Stafford kehrte nicht zum Hof zurück. Ich achtete sorgsam auf meinen Tonfall, als ich meinen Onkel ansprach, während wir dem König bei einer Partie Bowling zusahen, und ihn fragte, ob er William Stafford wirklich zum Stallmeister ernannt hätte, denn ich hätte gern ein neues Pferd für die Jagdsaison.
    »O nein«, antwortete er und durchschaute die Lüge sofort. »Der ist fort. Ich habe nach Calais ein paar Worte mit ihm gewechselt. Den siehst du nie wieder.«
    Ich zuckte nicht mit der Wimper, schnappte nicht nach Luft, fuhr nicht zusammen. »Er ist wohl auf sein Gut gegangen?« fragte ich, als sei es mir mehr oder weniger gleichgültig.
    »Oder auf einen Kreuzzug«, erwiderte mein Onkel. »Gut, daß wir ihn los sind.«
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Spiel zu. Als Henry einen guten Wurf machte, klatschte ich laut Beifall und rief: »Hurra!« Jemand bot mir eine Wette an, aber ich weigerte mich, gegen den König zu wetten, und wurde für diese Schmeichelei mit einem kleinen Lächeln belohnt. Als klar war, daß Henry mich nach dem Spiel nicht auffordern würde, mit ihm spazierenzugehen, schlich ich mich in mein Zimmer.
    Das Feuer im Kamin war erloschen. Das Gemach ging nach Westen und war morgens recht finster. Ich saß auf dem Bett, breitete mir die Laken über die Füße und zog mir die Decke um die Schultern. Mir war elend kalt, die Decke wärmte mich nicht. Ich dachte an die Tage am Strand von Calais, an den Geruch des Meeres und an den knirschenden Sand, während William mich streichelte und küßte. Damals in Frankreich träumte ich nachts von ihm und wachte jeden Morgen ganz schwach vor Verlangen auf. Selbst jetzt sehnte sich mein Mund noch nach seinen Küssen.
    |461| Ich hatte das Versprechen ernst gemeint, das ich George gegeben hatte. Ich hatte beteuert, daß ich vor allem eine Boleyn und eine Howard war. Doch nun, als ich in meinem dunklen Zimmer hockte und über die grauen Schieferdächer der Stadt zu den dunklen Wolken hinaufschaute, wußte ich auf einmal, daß George sich irrte, daß meine Familie sich irrte, daß auch ich mich geirrt hatte – mein Leben lang. Ich war nicht vor allem eine Howard. Vor allem war ich eine Frau, die zur Leidenschaft fähig war, die Liebe brauchte und sich nach Liebe sehnte. Ich wollte den Lohn nicht, für den Anne ihre Jugend geopfert hatte. Ich wollte nicht den dürren Glanz von Georges Leben. Ich wollte die Leidenschaft eines Mannes, den ich liebte und dem ich vertrauen konnte. Und ich wollte mich ihm hingeben, nicht um irgendeinen Vorteil daraus zu ziehen, sondern aus Verlangen.
    Ich wußte kaum, was ich tat, als ich mich vom Bett erhob und die Laken zur Seite

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