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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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warf. »William«, sagte ich in den leeren Raum hinein. »William.«
     
    Ich ging in den Stallhof und ließ mir mein Pferd bringen. Ich erklärte, daß ich nach Hever zu meinen Kindern reiten wollte. Gewiß hatte mein Onkel Spione in der Nähe, die den Stallhof beobachteten, doch ich hoffte, schon weit fort zu sein, ehe irgendein Spion meinem Onkel Bericht darüber erstattete, daß seine Nichte ohne Begleitung ausgeritten war.
    Innerhalb weniger Stunden war die Dunkelheit hereingebrochen. Ich hatte die Stadt kaum hinter mir gelassen und kam in ein kleines Dorf, wo ich die hohen Mauern und die Pforte eines Klosters ausmachen konnte. Ich hämmerte an die Tür. Als man sah, daß ich ein gutes Pferd ritt, bat man mich herein, wies mir den Weg in eine kleine, weiß getünchte Zelle und brachte mir eine Scheibe Fleisch, Brot, ein Stück Käse und einen Becher Dünnbier zum Abendessen.
    Am Morgen bot man mir die gleiche magere Kost auch zum Frühstück an. Ich hörte die Messe mit knurrendem Magen.
    Ich erkundigte mich nach dem Weg nach Rochford. Das Haus und die Ländereien waren schon seit vielen Jahren im |462| Besitz der Howards, aber wir besuchten sie selten. Ich war nur einmal dort gewesen und noch dazu damals auf dem Fluß dorthin gereist. Ich hatte keinerlei Vorstellung, wie ich auf der Straße hingelangen sollte. Ein Bursche im Stall meinte jedoch, er wisse den Weg nach Tilbury, und der Mönch, der als Stallmeister für die wenigen Reitesel und Ackergäule diente, erlaubte dem Jungen, auf einem alten Klepper mit mir zu reiten und mir den Weg zu zeigen.
    Es war ein netter Bursche namens Jimmy. Er ritt ohne Sattel, hieb dem alten Pferd die nackten Fersen in die staubigen Flanken und sang dabei aus voller Kehle. Wir waren schon ein seltsames Paar, der Bengel und die Dame, wie wir da auf dem Pfad am Fluß entlangritten. Es war nicht leicht, denn der Pfad bestand bisweilen nur aus Staub und Kieseln, da und dort nur aus Schlamm. Oft mußten wir trügerische Furten benutzen. Zuweilen scheute meine Stute, und nur der stete Schritt von Jimmys wackerem Wallach ließ sie weitergehen. Unser Abendbrot aßen wir auf einem Bauernhof. Die Hausfrau bot mir ein gekochtes Ei und etwas Schwarzbrot an, alles, was das Haus entbehren konnte. Jimmy aß das Brot und sonst nichts und schien es zufrieden zu sein. Als Nachtisch gab es ein paar verhutzelte Äpfel, und ich hätte beinahe laut losgelacht, als ich an das Abendessen dachte, das mir im Palast von Westminster entging, mit einem halben Dutzend Beilagen und unzähligen Fleischgerichten auf goldenen Tellern.
    Ich war nicht ängstlich. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ich hätte mein Leben in die Hand genommen und könnte mein Schicksal selbst bestimmen. Diesmal gehorchte ich weder Onkel noch Vater, noch dem König, sondern meinem Verlangen, das mich unaufhaltsam zu dem Mann führte, den ich liebte.
    Ich hegte keine Zweifel an William. Keinen Augenblick dachte ich, daß er mich vielleicht vergessen haben könnte, daß er sich mit einem Mädchen aus dem Dorf zusammengetan oder eine von anderen für ihn ausgesuchte Erbin geheiratet hatte. Nein, ich saß auf der Ladeklappe eines Karrens, der längst keine Räder mehr hatte, und schaute zu, wie Jimmy |463| Apfelkerne in die Luft spuckte, und zum ersten Mal war ich zuversichtlich.
    Nach dem Essen ritten wir noch ein paar Stunden und kamen bei Einbruch der Dunkelheit in den kleinen Marktflecken Grays. Tilbury war noch ein Stück weiter. Jimmy meinte jedoch, wenn ich nach Rochford wollte, das noch hinter Southend lag, könnte ich vom Fluß in östliche Richtung eine Abkürzung nehmen.
    Grays hatte einen kleinen Gasthof, keinen größeren Bauernhof, aber ein schönes Herrenhaus, das ein wenig von der Straße zurückgesetzt stand. Ich spielte mit dem Gedanken, zum Herrenhaus zu reiten und dort Gastfreundschaft zu suchen. Aber ich fürchtete den Einfluß meines Onkels, der sich über das gesamte Königreich erstreckte. Und ich machte mir allmählich Gedanken über mein staubiges Haar, den Schmutz in meinem Gesicht und auf meinen Kleidern. Jimmy war so dreckig, wie ein Straßenjunge nur sein kann, und kein Herrenhaus hätte ihn woanders als im Stall untergebracht.
    »Wir gehen in den Gasthof«, beschloß ich.
    Der war besser, als es zunächst schien. Man konnte mir dort ein Bett mit Vorhängen in einem Gemeinschaftsraum anbieten und Jimmy einen Strohsack in der Küche. Man schlachtete und briet mir ein Huhn zum Abendessen und reichte es mit

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