Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
sagt es«, erwiderte er und verließ ohne Verbeugung den Raum. Sie starrte ihm nach. »Ich hasse ihn«, sagte sie sehr leise. »Ich werde ihn zerbrechen wie ein Nichts.«
»Mach das nicht«, entgegnete ich hastig. »Du brauchst ihn.«
»Ich brauche niemanden«, erwiderte sie brüsk. »Der König gehört mir mit Haut und Haar. Ich habe sein Herz, ich habe sein Begehren, und ich trage seinen Sohn unter dem Herzen. Ich brauche niemanden.«
Der Streit mit Onkel Howard war immer noch nicht beigelegt, als er eintraf, um sie zu ihrer Krönung in der Innenstadt zu geleiten. Es sollte, wie George vorhergesagt hatte, die herrlichste Krönung werden, die es je gegeben hatte. Anne hatte befohlen, das Wappen mit dem Granatapfel auf der Barke von Königin Katherine entfernen zu lassen, als sei Katherine eine |480| Hochstaplerin und nicht die rechtmäßige Königin gewesen. An seiner Stelle prangten nun Annes Wappen und ihre und Henrys ineinander verschlungene Initialen. Annes neues Motto war überall zu sehen: »Die Glücklichste«. Selbst George hatte losgeprustet, als er es zum ersten Mal gehört hatte. »Anne und glücklich?« sagte er. »Erst wenn sie auch im Himmel Königin ist und sogar die Jungfrau Maria vom Thron gestoßen hat.«
Wir fuhren mit flatternden goldenen, weißen und silbernen Fahnen zum Tower von London. Am großen Wassertor wartete der König auf uns. Man hielt unsere Barke fest, während Anne ausstieg. Ich beobachtete sie, als wäre sie beinahe eine Fremde. Sie erhob sich und ging mit geschmeidigen Schritten über den Landungssteg, als sei sie als Königin geboren und aufgewachsen. Sie war wunderbar in Silber und Gold gekleidet und trug einen Pelzumhang. Sie sah nicht aus wie meine Schwester, sie sah überhaupt nicht wie eine Sterbliche aus. Sie hielt sich, als sei sie die größte Königin, die je gelebt hatte.
Wir verbrachten zwei Nächte im Tower. Am ersten Abend wurde ein großes Bankett gefeiert, bei dem Henry zu Ehren des Tages Orden und Ehren verlieh. Er schlug acht Männer zu Rittern vom Bad und verlieh noch ein Dutzend weiterer Titel, drei davon an die Zeremonienmeister, die am höchsten in seiner Gunst standen, darunter auch meinen Ehemann. William kam zu mir, nachdem der König ihn leicht mit dem Schwert auf der Schulter berührt und ihm den Treuekuß gegeben hatte. Er führte mich zum Tanz. Wir mischten uns unter den Hofstaat und hofften, daß niemand bemerken würde, wie die Schwester der Königin mit einem Zeremonienmeister tanzte.
»Nun denn, meine liebe Lady Stafford«, sagte er leise. »Schwindelnde Höhen, nicht?«
»Ein Riesensprung«, meinte ich. »Du wirst es noch so weit bringen wie ein Howard, das weiß ich.«
»Ich freue mich wirklich darüber«, sagte er. »Ich wollte nicht, daß du dich durch die Heirat mit mir erniedrigen mußt.«
»Ich hätte dich auch geheiratet, wenn du nur ein einfacher Bauer gewesen wärst«, sagte ich in bestimmtem Ton.
|481| Darüber mußte er lachen. »Meine Liebe, ich habe doch gesehen, wie sehr du dich über die Flohstiche aufgeregt hast.«
Ich lachte ihn an, doch dann sah ich, daß mir George, der mit Madge Shelton tanzte, wütende Blicke zuwarf. Ich hatte mich sofort wieder im Griff. »George beobachtet uns.«
William nickte. »Der sollte besser auf sich selbst aufpassen.«
»Oh, warum?«
Nun waren wir an der Reihe, in der Mitte des Kreises zu tanzen. Ich versuchte nicht zu zeigen, wie sehr ich mich an William freute. Er war nicht so diskret. Jedesmal, wenn ich ihm einen verstohlenen Blick zuwarf, ruhten seine Augen auf mir, als wolle er mich mit Haut und Haaren verschlingen. Ich war ausgesprochen erleichtert, als endlich wieder die ganze Gesellschaft mittanzte.
»Was ist mit George?«
»Schlechte Gesellschaft«, sagte William knapp.
Ich lachte laut heraus. »Er ist ein Howard und ein Freund des Königs«, stellte ich fest. »Da wird geradezu von ihm erwartet, daß er sich in schlechte Gesellschaft begibt.«
»Oh, es hat wohl auch nichts zu bedeuten.«
Die Musikanten spielten den Schlußakkord. Ich zog William in eine Ecke des Saals.
»Jetzt sag, was du damit meinst.«
»Sir Francis Weston ist immer und überall bei ihm«, erwiderte William rasch. »Er hat einen sehr schlechten Ruf.«
Ich war sofort aufmerksam. »Das sind doch nur die wilden Eskapaden eines jungen Mannes, was du da gehört hast.«
»Mehr«, antwortete William kurz.
»Was mehr?«
William blickte sich um, ob auch niemand lauschte. »Ich habe gehört, daß sie
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