Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
antwortete ich. »Da du es ja untersagt hast.«
»Seid ihr noch immer so ineinander vernarrt? Oder hast du ihn und seine Handvoll Felder inzwischen satt?«
|549| »Ich liebe ihn immer noch.« Ich war nicht in der Stimmung, mich auf Annes spitze Bemerkungen einzulassen. Der Gedanke an William erfüllte mich mit einem solchen Frieden, daß ich mit niemandem streiten wollte, am wenigsten mit einer so blassen und müden Frau wie dieser Königin.
Sie schenkte mir ein bitteres kleines Lächeln. »George sagt, du bist die einzige Boleyn, die gesunden Menschenverstand hat«, meinte sie. »Er behauptet, du hättest von uns dreien als einzige eine weise Entscheidung getroffen. Du wirst niemals reich werden, aber du hast einen Mann, der dich liebt, und ein gesundes Kind in der Wiege. Georges Frau sieht ihn an, als wolle sie ihn schlachten und aufessen, so sehr ist ihre Begierde mit Haß gemischt. Und Henry flattert hier aus und ein wie ein Schmetterling im Frühling. Und die beiden Mädchen flattern hinterher, mit ausgespannten Netzen.«
Ich lachte laut, als ich mir den immer fetter werdenden Henry als Schmetterling im Frühling vorstellte. »Das müssen ja große Netze sein«, war mein einziger Kommentar.
Anne blitzte mich einen Augenblick an, dann lachte auch sie ihr vertrautes fröhliches Lachen. »Großer Gott, ich gäbe sonstwas darum, sie loszuwerden.«
»Jetzt bin ja ich da«, meinte ich, »und kann sie dir vom Leib halten.«
»Ja«, antwortete sie. »Und wenn etwas schiefgeht, kannst du mir helfen, nicht?«
»Natürlich«, versprach ich. »Was immer auch geschieht, George und ich sind für dich da.«
Aus dem Vorraum drang Lärm herein, ein unverwechselbares Lachen, das brüllende Tudor-Lachen. Anne hörte die Freude ihres Mannes, aber sie lächelte nicht. »Jetzt wird er wohl essen wollen.«
Ich hielt sie zurück, als sie auf die Tür zuging. »Weiß er, daß du schwanger bist?« fragte ich rasch.
Sie schüttelte den Kopf. »Niemand weiß es, außer dir und George«, erwiderte sie. »Ich wage es ihm nicht zu sagen.«
In dem Augenblick, als sie die Tür aufmachte, sahen wir, wie Henry der errötenden Madge Shelton eine Kette um den |550| Hals legte. Beim Anblick seiner Frau zuckte sie zusammen, aber er fuhr ungerührt fort. »Ein kleines Erinnerungsstück«, sagte er zu Anne. »Eine Wette, die dieses gescheite Mädchen gewonnen hat. Guten Abend, liebe Frau.«
»Mein lieber Mann«, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Auch Euch guten Abend.«
Nun bemerkte er mich neben ihr. »So etwas! Mary!« rief er und strahlte vor Vergnügen. »Die schöne Lady Carey ist zurück.«
Ich sank in einen Hofknicks und schaute ihm ins Gesicht. »Lady Stafford, bitte, Majestät. Ich bin wieder verheiratet.«
Sein rasches Nicken verriet, daß er sich daran erinnerte – an den Sturm, den seine Frau entfesselt hatte, als sie mich vom Hof verbannte. Ich bemerkte, daß das Lächeln nicht von seinem Gesicht wich, daß seine Augen noch immer warm auf meinem Antlitz ruhten, und dachte, was für eine giftige Hexe meine Schwester doch war. Sie allein hatte für meine Verbannung gesorgt, es war überhaupt nicht der Wille des Königs gewesen. Er hätte mir unverzüglich vergeben. Hätte Anne mich nicht gebraucht, um ihre Schwangerschaft zu verbergen, sie hätte mich auf immer und ewig in meinem Bauernhaus versauern lassen.
»Und Ihr habt ein Kind?« fragte er. Unwillkürlich blickte er über meinen Kopf hinweg zu Anne, vom fruchtbaren zum unfruchtbaren Boleyn-Mädchen.
»Ein Mädchen, Majestät«, erwiderte ich und dankte Gott, daß es kein Sohn war.
»William hat Glück.«
Ich lächelte ihn an. »Das werde ich ihm gewiß berichten.«
Henry lachte und streckte seine Hand aus, um mich näher zu sich zu ziehen. »Ist er nicht hier?« fragte er und schaute sich im Kreis seiner Herren um.
»Man hat ihn nicht hergebeten …«, begann ich.
Er begriff sofort und wandte sich an seine Frau. »Warum wurde Sir William nicht zusammen mit seiner Frau zu Hof gebeten?«
Anne zuckte nicht mit der Wimper. »Natürlich habe ich auch ihn eingeladen, wieder bei Hof zu erscheinen, sobald |551| meine Schwester den ersten Kirchgang nach der Entbindung hinter sich hatte.«
Wie glatt sie ihm diese schamlose Lüge auftischte, war einfach bewundernswert. Jetzt blieb mir nichts mehr übrig, als für mich das Beste herauszuholen. »Er wird sich morgen zu mir gesellen, wenn es Eurer Majestät gefällt. Und wenn ich darf, könnte ich auch meine
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