Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
nahm: Man werde ihm das Land wegnehmen, falls er es nicht besser nutzte. Ich kannte die Bauern, die Hopfen anbauten, und diejenigen, die Wein angepflanzt hatten. Ich traf eine Übereinkunft mit einem von ihnen: Falls seine Traubenernte gut ausfiel, würde ich meinen Vater bitten, einen Franzosen aus London kommen zu lassen, der ihn in der Kunst des Kelterns unterrichten sollte.
Es bereitete mir keine Mühe, jeden Tag über Land zu reiten. Ich war gern an der frischen Luft, hörte die Vögel singen, während ich durch den Wald ritt, roch den Duft des blühenden Geißblatts, das sich zu beiden Seiten des Wegs wie ein Wasserfall über die Hecken ergoß. Ich liebte meine Stute Jesmond, die mir der König geschenkt hatte: ihre Freude am leichten Galopp, ihre wachen Ohren, ihr Wiehern, wenn sie sah, daß ich mit einer Karotte in der Hand in den Stallhof trat. Ich liebte die üppigen Wiesen am Fluß, die mit weißen und gelben Blüten übersät waren, und ich liebte den flammenden |72| Mohn in den Weizenfeldern. Ich liebte das offene Land und die Bussarde, die höher noch als die Lerchen ihre großen, trägen Kreise am Himmel zogen, ehe sie auf den breiten Schwingen kehrtmachten und fortflogen.
Alles war nur Spielerei, nur Zeitvertreib, wenn ich schon nicht am Hof und bei Henry sein konnte. Doch wurde mir zunehmend bewußt, daß ich doch mindestens eine gute und gerechte Landherrin sein könnte, falls ich wirklich niemals wieder an den Hof zurückkehren sollte. Die pfiffigeren Bauern außerhalb von Edenbridge hatten begriffen, daß der Markt für Luzerne gut war. Sie kannten jedoch niemanden, der diese Pflanze anbaute, und wußten nicht, woher sie das Saatgut beziehen konnten. Ich schrieb in ihrem Namen an einen Bauern auf dem Landgut meines Vaters in Essex, der Saatgut und Ratschläge schickte. Die Bauern bestellten damit ein Feld, während ich noch dort war, und versprachen, ein weiteres Feld damit zu bepflanzen, sobald man herausgefunden hatte, wie die Pflanze den Boden vertrug. Ich mochte nur eine junge Frau sein, dachte ich mir, aber immerhin hatte ich doch etwas Wunderbares erreicht. Ohne mich hätten die Leute weiterhin nur im »Hollybush« gesessen, mit der Faust auf den Tisch geschlagen und heilige Eide geschworen, daß man mit den neuen Saaten ein Vermögen verdienen könnte. Durch meine Hilfe waren sie in der Lage, es damit zu versuchen, und wenn es ihnen wirklich ein Vermögen einbrachte, dann hatten eben wieder einmal zwei Männer ihren Weg in der Welt gemacht. Wenn man den Aufstieg meines Großvaters bedachte, so konnte man nie wissen, wie weit sie es noch bringen würden.
Sie freuten sich darüber. Wenn ich auf das Feld ritt, um zu sehen, wie gut sie mit dem Pflügen vorankamen, eilten sie zu mir herüber, traten sich den Lehm von den Füßen und erklärten, wie sie säten. Sie wünschten sich einen Landherrn, der Anteil an ihrer Sache nahm. Und weil niemand sonst da war, nahmen sie mit mir vorlieb. Sie überlegten, ob man mich, wenn ich mich für die Saat interessierte, vielleicht auch dazu überreden könnte, mich mit einem Anteil einzukaufen. Vielleicht hatte ich irgendwo ein bißchen Geld aufbewahrt, das ich |73| investieren wollte, und dann könnten wir alle zusammen wohlhabend werden.
Darüber mußte ich lachen, während ich vom Pferd auf ihre braunen, vom Wetter gegerbten Gesichter herabschaute. »Ich habe kein Geld.«
»Aber Ihr seid doch eine große Dame bei Hof«, protestierte einer. Sein Blick fiel auf die eleganten Quasten an meinen Lederstiefeln, auf den mit Intarsien verzierten Sattel, auf mein prächtiges Kleid und die goldene Brosche an meinem Hut. »Ihr tragt heute mehr an Eurer Person, als ich in einem ganzen Jahr verdiene.«
»Das weiß ich«, erwiderte ich. »Aber genau da bleibt es auch: an meiner Person.«
»Aber Euer Vater muß Euch doch Geld geben – oder Euer Ehemann«, versuchte mich der andere zu überreden. »Setzt es besser hier auf Eurem Acker ein, als es beim Kartenspiel zu verwetten.«
»Ich bin eine Dame. Nichts von alledem gehört mir. Seht Euch an. Euch geht es ganz gut. Aber ist Eure Frau reich?«
Darauf kicherte er dümmlich. »Sie ist meine Frau. Es geht ihr so gut wie mir. Aber eigenen Besitz hat sie nicht.«
»Genauso ist es bei mir auch«, sagte ich. »Es geht mir so gut, wie es meinem Vater, wie es meinem Mann geht. Aber mir persönlich gehört nichts. In diesem Sinne bin ich genauso arm wie Eure Frau.«
»Aber Ihr seid eine Howard, und ich bin ein
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