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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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herüber, als dächte er, einer von uns würde ihn aufhalten.
    Wir lächelten ihn aufmunternd an, schenkten ihm unser Boleyn-Lächeln – wie zwei freundliche Schlangen.
    »Ich, Henry Percy, nehme Euch, Anne Boleyn, zu meiner angetrauten Ehefrau«, sagte er.
    »Ich, Anne Boleyn, nehme Euch, Henry Percy, zu meinem angetrauten Ehemann«, erwiderte sie mit festerer Stimme als er.
    »Mit diesem Ring verspreche ich mich Euch«, sagte er leise und streifte ihr den Ring über den dritten Finger der linken Hand. Er war ihr zu weit. Sie ballte die Hand zur Faust, um ihn nicht zu verlieren.
    »Mit diesem Ring nehme ich Euch«, antwortete sie.
    Er neigte den Kopf zu ihr herab und küßte sie. Als sie mir ihr Gesicht zuwandte, waren ihre Augen ganz verschwommen vor Begierde.
    »Laßt uns allein«, befahl sie leise.
     
    Wir gaben ihnen zwei Stunden. Dann hörten wir die Königin und ihre Hofdamen von der Messe zurückkehren. Wir klopften laut das Zeichen der Boleyns an die Tür. Wir wußten, daß Anne das Signal selbst im zufriedensten Schlaf hören und aufspringen würde. Als wir die Tür öffneten und eintraten, verfaßten Henry Percy und Anne gerade zusammen ein Madrigal. |141| Sie spielte Laute, und er sang die Worte, die sie zusammen aufgeschrieben hatten. Ihre Köpfe steckten dicht beieinander, damit sie die handgeschriebenen Noten auf dem Pult lesen konnten, aber außer dieser Vertrautheit war nichts anders als an jedem anderen Tag in den vergangenen drei Monaten.
    Anne lächelte mich an, als George und ich, gefolgt von den Hofdamen der Königin, ins Zimmer traten.
    »Wir haben so eine hübsche Melodie geschrieben, wir haben den ganzen Morgen daran gearbeitet«, sagte sie zuckersüß.
    »Und wie heißt sie?« erkundigte sich George.
    »›Heiter, heiter‹«, erwiderte Anne. »Sie heißt ›Heiter, heiter, immer weiter‹.«
     
    In jener Nacht verließ zur Abwechslung Anne unser gemeinsames Schlafgemach. Sie warf sich einen dunklen Umhang über und ging zur Tür, als die Turmuhr des Palastes Mitternacht schlug.
    »Wo willst du denn zu dieser nachtschlafenen Stunde hin?« fragte ich entrüstet.
    Sie schaute mich unter der dunklen Kapuze hervor an. »Zu meinem Ehemann«, antwortete sie schlicht.
    »Anne, das kannst du nicht machen«, sagte ich entsetzt. »Sie werden dich erwischen, und das wird dein Ruin sein.«
    »Wir haben einander im Angesicht Gottes und vor Zeugen ewige Treue geschworen. Das ist so gut wie eine Eheschließung, nicht?«
    »Ja«, gestand ich unwillig ein.
    »Eine Eheschließung könnte doch aufgehoben werden, wenn die Ehe nicht vollzogen wurde, oder?«
    »Ja.«
    »Also sichere ich mich ab«, sagte sie. »Nicht einmal die Familie Percy kann sich noch herauswinden, wenn Henry und ich ihnen mitteilen, daß wir geheiratet und die Ehe vollzogen haben.«
    Ich richtete mich im Bett auf, bat sie auf Knien, doch zu bleiben. »Aber Anne, wenn dich jemand sieht!«
    |142| »Mich wird niemand sehen«, erwiderte sie.
    »Wenn die Percys erfahren, daß du dich um Mitternacht aus deinen Gemächern geschlichen hast!«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich sehe nicht ein, wie und was das jetzt noch ändern soll. Sobald es vollbracht ist.«
    »Und wenn nichts daraus wird …« Ich unterbrach mich angesichts des wütenden Blitzens in ihren Augen. Mit einem Schritt hatte sie das Zimmer durchquert, mich mit beiden Händen beim Nachthemd gepackt und mir den Stoff um den Hals gewürgt. »Deswegen mache ich es ja«, zischte sie. »Du bist wirklich eine Närrin. Ich tue es, damit daraus nicht nichts wird. Damit niemand behaupten kann, es sei alles nichts gewesen. Damit alles verbrieft und versiegelt ist. Ehe geschlossen und vollzogen, unter Dach und Fach. Ohne jede Möglichkeit des Rückzugs. Und jetzt schlaf gut. Ich komme in den frühen Morgenstunden wieder, lange vor der Dämmerung. Aber jetzt gehe ich.«
    Ich nickte und sagte kein Wort, bis ihre Hand schon auf der Türklinke lag. »Aber Anne, liebst du ihn denn auch?« erkundigte ich mich neugierig.
    Unter ihrer Kapuze blitzte nur ein Eckchen ihres Lächelns hervor. »Ich bin eine Närrin, daß ich es zugebe, aber ich fiebere seiner Berührung entgegen.«
    Dann war sie verschwunden.

|143| Sommer 1523
    Der Hof begrüßte den Mai mit einem Fest, das Kardinal Wolsey geplant hatte. Die Damen im Hofstaat der Königin waren alle in Weiß gekleidet und fuhren in kleinen Booten auf den Fluß hinaus, wo schwarz gewandete französische Freibeuter sie überfielen. Zu ihrer Rettung eilten, ganz

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