Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
niemals eingewilligt, sich der Autorität seines Vaters zu unterwerfen und nicht …«
|148| »Und nicht der Euren? Ich hatte mich schon gefragt, ob es so gewesen sei. Doch, er hat es wirklich gesagt, Mistress Anne. Die leidige Angelegenheit ist nun in den Händen des Königs und des Herzogs.«
»Wir haben einander Treue geschworen«, beharrte Anne wild.
»Es war ein Verlöbnis
de futuro
«, entschied der Kardinal. »Ein Versprechen, Euch in Zukunft zu heiraten, falls möglich.«
»Es war
de facto
«, erwiderte Anne unbeirrt. »Ein Treueschwur vor Zeugen, und die Ehe wurde auch vollzogen.«
»Ah.« Der Kardinal erhob warnend eine feiste Hand. Der schwere Bischofsring blitzte Anne zu, als wolle er sie daran erinnern, daß dieser Mann auch der geistliche Oberhirte Englands war. »Bitte deutet nicht einmal an, daß derlei geschehen konnte. Es wäre wirklich unklug. Wenn ich sage, daß das Verlöbnis
de futuro
war, dann ist es genau das, Mistress Anne. Ich kann mich nicht irren. Eine Frau, die auf ein so ungewisses Versprechen hin einem Mann beigewohnt hätte, wäre eine Närrin. Eine Frau, die sich hingegeben hätte und sich dann verlassen vorfände, wäre völlig ruiniert. Sie würde niemals einen Ehemann finden.«
Anne warf mir einen raschen Seitenblick zu. Wolsey mußte sich über die Ironie dieser Worte im klaren sein. Doch sein Blick blieb unbeirrt.
»Es wäre außerordentlich unvorteilhaft für Euch, Mistress Boleyn, wenn Euch Eure Zuneigung zu Henry Percy dazu verführen würde, mich derart zu belügen.«
Anne rang mit der Panik, die allmählich in ihr aufstieg. »Mein Lord und Kardinal«, erwiderte sie mit leicht bebender Stimme. »Ich wäre eine gute Herzogin von Northumberland. Ich würde mich um die Armen kümmern. Ich würde darauf achten, daß im Norden Gerechtigkeit waltet. Ich würde England gegen die Schotten verteidigen. Ich wäre auf ewig Eure Verbündete, stünde ewig in Eurer Schuld.«
Er lächelte leise, als wäre das, was Anne gerade geäußert hatte, nicht die größte Bestechung, die man ihm je angeboten hatte. »Ihr wäret eine bezaubernde Herzogin«, antwortete er. »Wenn nicht in Northumberland, dann anderswo, da bin ich |149| sicher. Diese Entscheidung wird Euer Vater zu treffen haben. Er wird bestimmen, wen Ihr heiratet, und der König und ich haben bei der Sache auch noch ein Wörtchen mitzureden. Seid versichert, meine Tochter in Christo, daß ich Eure Wünsche sorgsam erwägen werde. Ich merke es mir.« Er bemühte sich nicht einmal, sein Lächeln zu unterdrücken. »Ich merke mir, daß Ihr Herzogin werden möchtet.«
Er streckte Anne seine Hand hin. Sie mußte vortreten, einen Hofknicks machen und den Ring küssen, ehe sie den Raum rückwärts verließ.
Als die Tür hinter uns zufiel, sagte sie kein einziges Wort, sondern machte auf dem Absatz kehrt und rannte in den Garten hinunter. Sie sprach erst, als wir tief verborgen in einer Rosenlaube waren.
»Was kann ich jetzt tun?« fragte sie fordernd. »Denk nach! Denk nach!«
Ich wollte gerade antworten, daß mir nichts einfiele, als ich begriff, daß sie gar nicht mit mir redete, sondern Selbstgespräche führte. »Kann ich Northumberland ausmanövrieren? Mary dazu bringen, daß sie dem König meine Sache vorträgt?« Sie schüttelte den Kopf. »Auf Mary kann man nicht zählen. Sie verdirbt alles.«
Ich unterdrückte meinen empörten Protest. Anne lief nun auf dem Rasen auf und ab, die Röcke wirbelten ihr nur so um die hochhackigen Schuhe. Ich beobachtete sie von einer steinernen Bank aus.
»Kann ich George zu Henry schicken?« Sie machte wieder kehrt. »Vater und Onkel«, sprudelte sie hervor. »Mein Aufstieg wäre auch in ihrem Interesse. Sie könnten mit dem König reden, den Kardinal beeinflussen. Sie könnten eine Mitgift für mich finden, die Northumberland locken würde. Sie würden doch wollen, daß ich Herzogin werde.« Sie nickte mit plötzlicher Entschlossenheit. »Sie müssen zu mir halten«, entschied sie. »Sie werden zu mir halten. Und wenn Northumberland nach London kommt, sagen sie ihm, daß das Verlöbnis geschlossen und die Ehe vollzogen ist.«
|150| Der Familienrat war im Londoner Haus der Howards zusammengetreten. Mutter und Vater saßen an dem großen Tisch, Onkel Howard zwischen ihnen. George und ich, die wir an Annes Ungnade teilhatten, hielten uns hinten im Raum auf. Anne stand vor dem Tisch wie eine Gefangene vor Gericht. Erhobenen Hauptes, eine dunkle Augenbraue leicht hochgezogen, erwiderte
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