Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
begreife, was für ein Narr ich gewesen bin. Ich bin schon seit Monaten in Euch verliebt, und ich dachte immer, daß Ihr mich nur neckt und daß alles nichts zu bedeuten hat.«
Ihr Blick wärmte ihm das Herz. »Mir hat es etwas bedeutet«, flüsterte sie.
Ihre dunklen Augen hielten seinen Blick gefangen. »Anne«, stammelte er. »Meine Liebste.«
Ein Lächeln umspielte ihren Mund, lud zum Kuß ein. »Henry«, hauchte sie. »Mein Henry.«
Er bewegte sich auf sie zu, legte die Hände um ihre fest geschnürte Taille und zog sie an sich. Anne gab nach, trat einen Schritt näher. Er neigte sein Gesicht zu ihr, als sie zu ihm aufblickte, und sein Mund sank zum ersten Kuß auf ihren Mund.
|136| »Oh, sagt es«, flüsterte Anne. »Sagt es jetzt, jetzt im Augenblick, sagt es, Henry.«
»Heiratet mich«, forderte er.
»Und so ist es also geschehen«, berichtete Anne an jenem Abend in unserem Schlafgemach munter. Sie hatte die Badewanne bringen lassen, und wir stiegen nacheinander in das heiße Wasser, schrubbten einander den Rücken und wuschen einander das Haar.
»Na und? Was ist schon passiert?« schmollte ich, während ich mich in ein Laken wickelte. Vier Zofen kamen und begannen das Wasser in Eimern auszuschöpfen, bis sie den großen Holzzuber hinaustragen konnten. »Alles, was ich gehört habe, hat nur nach noch mehr Tändelei geklungen.«
»Er hat mich gefragt«, sagte Anne. Sie wartete, bis die Tür sich hinter den Bediensteten geschlossen hatte, dann schlang sie sich das Tuch fester um den Busen und setzte sich vor den Spiegel.
Es klopfte an der Tür.
»Wer ist das denn jetzt schon wieder?« rief ich in heller Verzweiflung.
»Ich bin es«, antwortete George.
»Wir baden gerade.«
»Ach, laß ihn doch hereinkommen.« Anne begann sich ihr schwarzes Haar zu kämmen.
George schlenderte ins Zimmer und zog eine dunkle Braue in die Höhe, als er das verschüttete Wasser auf dem Boden sah und uns beide halb nackt.
»Ein Maskenspiel? Ihr seid Meerjungfrauen?«
»Anne hat darauf bestanden, daß wir baden. Schon wieder.«
Anne hielt ihm den Kamm hin. »Kämm du mir das Haar«, forderte sie ihn mit einem schiefen Lächeln auf. »Mary ziept mich immer.« Gehorsam stellte er sich hinter sie und begann ihr dunkles Haar durchzukämmen, eine Strähne nach der anderen. Anne schloß die Augen und genoß die Aufmerksamkeit.
»Läuse?« fragte sie plötzlich hellwach.
»Bisher noch keine«, versicherte er ihr.
|137| »Was ist also geschehen?« wollte ich wissen und kehrte zu Annes Andeutungen zurück.
»Ich habe ihn«, sagte sie unverblümt. »Henry Percy. Er hat gesagt, daß er mich liebt. Er hat gesagt, daß er mich heiraten will. Ich will, daß du und George beim Treueschwur meine Zeugen seid. Er kann mir seinen Ring geben, und dann ist es vollbracht und unauflöslich, so gut wie eine Trauung in einer Kirche vor einem Priester. Und ich werde Herzogin.«
»Großer Gott!« George erstarrte mitten in der Bewegung. »Anne! Bist du sicher?«
»Sehe ich so aus, als würde ich so eine Chance verpfuschen?« fragte sie knapp.
»Nein«, gestand er ihr zu. »Trotzdem. Herzogin von Northumberland! Großer Gott, Anne, dann gehört dir der größte Teil von Nordengland.«
Sie nickte, lächelte sich selbst im Spiegel zu.
»Herrgott, dann sind wir die großartigste Familie im Lande! Eine der größten in Europa. Mary im Bett des Königs und du die Frau seines wichtigsten Herzogs, damit erheben wir die Howards so hoch, daß sie niemals fallen können.« Er unterbrach sich einen Augenblick, während er den nächsten Schritt bedachte.
»Gott, falls Mary vom König schwanger werden sollte und einen Jungen zur Welt bringt, könnte er mit Northumberlands Unterstützung den Thron für sich beanspruchen. Ich könnte der Onkel des englischen Königs werden.«
»Ja«, erwiderte Anne zuckersüß. »Das hatte ich mir auch gedacht.«
Ich sagte nichts, beobachtete das Gesicht meiner Schwester.
»Die Familie Howard auf dem Thron«, murmelte George vor sich hin. »Northumberland und die Howards als Verbündete. Es ist vollbracht, nicht wahr? Wenn diese zwei Dinge zusammenkommen. Sie würden sich nur durch eine Eheschließung so nah kommen und durch einen Erben, für den sie sich beide einsetzen könnten. Mary soll den Erben gebären, und Anne würde die Percys auf ewig mit ihm zusammenschweißen.«
|138| »Und du hast gedacht, ich würde es niemals schaffen«, sagte Anne und zeigte mit dem Finger auf mich.
Ich nickte. »Ich
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