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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sie wie eine ebenbürtige Gegnerin den Blick meines Onkels.
    »Leider scheint Ihr Euch neben Eurem Kleidungsstil in Frankreich auch die französische Lebensart angeeignet zu haben«, meinte Onkel brüsk. »Ich habe Euch bereits zuvor gewarnt, daß ich kein Gerücht dulden werde, das mit Eurem Namen verknüpft ist. Jetzt kommt mir zu Ohren, daß Ihr dem jungen Percy ungebührliche Freiheiten gewährt habt.«
    »Ich habe meinem Ehemann beigewohnt«, erwiderte Anne seelenruhig.
    Onkel blickte meine Mutter an.
    »Wenn du dergleichen je wiederholst, bekommt du die Peitsche zu spüren und wirst auf Nimmerwiedersehen nach Hever verbannt«, sagte meine Mutter leise. »Lieber sähe ich dich tot zu meinen Füßen liegen als entehrt. Du bringst mit solchen Worten nur Schande über dich, entehrst dich vor uns, ziehst dir unser aller Haß zu.«
    Ich konnte Annes Gesicht nicht sehen, bemerkte aber, daß sie mit den Fingern eine Falte ihres Rocks umklammerte wie eine Ertrinkende den rettenden Strohhalm.
    »Bis alle diesen unglückseligen Fehltritt vergessen haben, gehst du nach Hever«, ordnete Onkel an.
    »Verzeihung«, erwiderte Anne beißend, »aber der Fehler liegt bei Euch, nicht bei mir. Lord Henry und ich sind verheiratet. Er wird zu mir halten. Ihr und mein Vater müßt auf seinen Vater Druck ausüben, ebenso auf den Kardial und den König, damit sie die Heirat öffentlich bekanntgeben. Wenn Ihr das tut, dann werde ich Herzogin von Northumberland, und Ihr habt eine Howard in der großartigsten Grafschaft Englands. Ich hätte gedacht, daß ein solcher Lohn ein wenig Mühe wert wäre. Wenn ich Herzogin bin und Mary einen Sohn hat, |151| dann ist er der Neffe des Herzogs von Northumberland und der Bankert des Königs. Wir könnten ihn auf den Thron bringen.«
    Onkel blitzte sie wütend an. »Dieser König hat vor zwei Jahren den Herzog von Buckingham schon für viel weniger als solche Reden hinrichten lassen«, sagte er sehr leise. »Mein eigener Vater hat das Todesurteil unterzeichnet. Dieser König achtet seine Erben nicht gering. Ihr werdet nie, nie wieder so etwas sagen, oder Ihr findet Euch nicht in Hever wieder, sondern lebenslänglich hinter Klostermauern. Ich meine es ernst, Anne. Ich lasse nicht zu, daß Ihr mit Euren Narreteien die Sicherheit der gesamten Familie gefährdet.«
    Seine stille Wut schockierte sie. Sie schluckte schwer. »Ich sage nichts mehr«, flüsterte sie. »Doch mein Plan könnte funktionieren.«
    »Es ist unmöglich«, erwiderte mein Vater ungerührt. »Northumberland will dich nicht. So hoch läßt uns Wolsey nicht aufsteigen. Und der König macht, was Wolsey sagt.«
    »Lord Henry hat es mir versprochen«, entgegnete Anne voller Leidenschaft.
    Onkel schüttelte den Kopf und wollte sich vom Tisch erheben. Das Treffen war zu Ende.
    »Wartet«, rief Anne verzweifelt. »Wir könnten es erreichen, das schwöre ich Euch. Wenn Ihr zu mir haltet, dann steht auch Henry Percy zu mir, und der Kardinal und der König und sein Vater müssen sich überzeugen lassen.«
    Onkel zögerte keine Sekunde. »Nein, das werden sie nicht. Du bist eine Närrin. Du kannst dich nicht mit Wolsey anlegen. Niemand im ganzen Land kann es mit Wolsey aufnehmen. Und wir werden seine Feindschaft nicht riskieren. Er würde dafür sorgen, daß Mary aus dem Bett des Königs verschwindet, und im Nu an ihrer Stelle ein Seymour-Mädchen hineinlegen. Alles, was wir mit Mary erreichen wollen, würde über den Haufen geworfen, wenn wir dich unterstützten. Es ist Marys Chance, nicht deine. Wir lassen sie uns von dir nicht verderben. Wir schaffen dich mindestens für den Sommer aus dem Weg, vielleicht ein ganzes Jahr.«
    |152| Sie war wie erstarrt. »Aber ich liebe ihn«, sagte sie.
    Es herrschte Stille im Raum.
    »Wirklich«, wiederholte sie, »ich liebe ihn.«
    »Das bedeutet mir gar nichts«, sagte mein Vater. »Deine Ehe ist eine Familienangelegenheit, und die überläßt du gefälligst uns. Du gehst mindestens ein Jahr nach Hever in die Verbannung und kannst dich noch glücklich preisen. Wenn du ihm schreibst oder auf seine Briefe antwortest oder dich gar noch einmal mit ihm triffst, dann verschwindest du im Kloster. In einem geschlossenen Orden.«
     
    »Nun, das war doch gar nicht so schlimm«, meinte George mit aufgesetzter Fröhlichkeit. Er, Anne und ich waren auf dem Weg zum Fluß, um mit dem Boot nach York Place zurückzufahren. Ein Bediensteter in der Livree der Howards ging uns voraus und drängte die Bettler und

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