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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Gesichtchen weg. Sie hatte, vom Schaukeln der Sänfte gewiegt, beinahe die ganze Reise verschlafen.
    Höflich betrachtete Anne sie. »Süß«, meinte sie, wenig begeistert. »Aber warum hast du sie nicht mit der Amme hergeschickt?«
    Ich seufzte, denn es war unmöglich, Anne davon zu überzeugen, daß irgendein Ort besser war als der Hof. Ich ging in den großen Saal voraus, und die Amme nahm mir Catherine ab, um ihr die Windeln zu wechseln.
    »Und dann bringt sie mir bitte wieder«, ordnete ich an.
    Ich setzte mich auf einen der geschnitzten Stühle am Tisch im großen Saal und lächelte Anne zu, die ungeduldig vor mir stand.
    »Ich interessiere mich nicht wirklich für den Hof«, sagte ich. »Das hat mit der Geburt des Kindes zu tun, du würdest es nicht verstehen. Es ist, als wüßte ich plötzlich, was Sinn und Zweck meines Lebens ist. Es geht mir nicht darum, in der Gunst des Königs aufzusteigen, auch nicht um eine Karriere am Hof. Nicht einmal um eine bessere Position für meine Familie. Es gibt Dinge, die viel wichtiger sind. Ich möchte nicht, daß Catherine fortgeschickt wird, sobald sie laufen kann. Ich möchte zärtlich zu ihr sein, ich möchte, daß sie unter meiner Aufsicht |177| lernt. Ich möchte, daß sie hier aufwächst und die Felder und Wiesen, die Weiden in den Flußauen kennenlernt. Ich möchte nicht, daß sie eine Fremde auf ihrem eigenen Land wird.«
    Anne schaute mich ausdruckslos an. »Sie ist doch nur ein Säugling«, meinte sie. »Und es besteht immer noch die Möglichkeit, daß sie bald stirbt. Du wirst noch Dutzende Kinder bekommen. Willst du alle so verwöhnen?«
    Ich zuckte bei dem Gedanken zusammen, doch das merkte sie nicht einmal. »Ich weiß nicht. Ich war nicht darauf gefaßt, daß sie so starke Gefühle in mir wecken würde. Aber es ist so, Anne. Sie ist mir das Kostbarste auf der Welt. Sie ist mir viel wichtiger als alles andere. Ich kann an nichts anderes denken, als daß ich für sie sorgen und sicher sein möchte, daß sie gesund und glücklich ist. Und ich möchte miterleben, wie sie heranwächst. Ich lasse mich nicht von ihr trennen.«
    »Was sagt der König dazu?« erkundigte sich Anne.
    »Ich habe es ihm noch nicht gesagt«, erwiderte ich. »Er war es zufrieden, daß ich den Sommer über fort bin und mich ausruhe. Er wollte auf die Jagd gehen. Er war dieses Jahr ganz wild darauf, endlich loszuziehen. Es hat ihm nicht viel ausgemacht.«
    »Nicht viel ausgemacht?« wiederholte sie ungläubig.
    »Es hat ihm gar nichts ausgemacht«, berichtigte ich mich.
    Anne nickte und nagte an einem Finger. Ich konnte förmlich sehen, wie fieberhaft ihr Hirn arbeitete, während sie meine Worte bedachte. »Nun gut«, meinte sie schließlich. »Wenn sie nicht darauf bestehen, daß du bei Hof bist, dann sehe ich nicht ein, warum ich mir Gedanken machen sollte. Es ist für mich amüsanter, wenn du hier bist, weiß Gott. Zumindest kannst jetzt du mit dieser unerbittlichen Alten reden und mir ihr endloses Geschwätz ersparen.«
    Ich lächelte. »Du bist wirklich sehr respektlos, Anne.«
    »O ja, ja«, erwiderte sie ungeduldig und zog einen Hocker herbei. »Aber jetzt erzähle mir alle Neuigkeiten. Erzähle mir von der Königin. Und dann will ich wissen, was Thomas More über das neue Traktat aus Deutschland zu sagen hatte. Und wie sind die Pläne für Frankreich? Gibt es wieder Krieg?«
    |178| »Es tut mir leid.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Oh, na gut«, sagte sie gereizt. »Erzähl mir von deinem Kind. Das ist alles, wofür du dich interessierst, nicht? Du sitzt bestimmt die ganze Zeit mit leicht geneigtem Kopf da und lauschst auf sie, stimmt’s? Du siehst lächerlich aus. Setz dich um Himmels willen gerade hin. Die Amme bringt sie nicht schneller wieder, wenn du dahockst wie ein Vorstehhund vor dem Wild.«
    Ich mußte lachen, weil ihre Beschreibung so genau paßte. »Es ist, als wäre ich verliebt. Ich möchte sie immerzu nur sehen.«
    »Du bist ständig in irgend jemanden verliebt«, erwiderte Anne ärgerlich. »Jetzt ist es eben dieser Säugling, der uns gar nichts nutzen wird. Aber dir ist das gleichgültig. Immer triefst du vor Leidenschaft, vor Gefühl, vor Verlangen. Es macht mich wirklich wütend.«
    Ich lächelte sie an. »Weil du nur aus Ehrgeiz bestehst«, sagte ich.
    Ihre Augen blitzten. »Natürlich. Was gibt es denn sonst noch?«
    »Willst du nicht wissen, ob ich Henry Percy gesehen habe?« erkundigte ich mich. Es war eine grausame Frage, und ich hatte sie in der Hoffnung

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