Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
verwandt, dieses Bündnis zustande zu bringen.«
»Was hat Vorrang?« fragte mein Onkel trocken. »Unser Land oder unsere Familie? Denn wenn wir Mary so einsetzen, wie wir sollten, setzen wir das Wohl des Landes aufs Spiel.«
Mein Vater zögerte.
»Natürlich, Ihr seid ja auch kein Blutsverwandter«, fügte mein Onkel mit leiser Boshaftigkeit hinzu. »Nur ein angeheirateter Howard.«
»Die Familie geht vor«, sagte mein Vater langsam. »Das muß so sein.«
»Dann müssen wir vielleicht das Bündnis mit Spanien opfern«, erwiderte mein Onkel kühl. »Es ist für uns wichtiger, Königin Katherine loszuwerden, als Frieden in Europa zu schließen. Es ist wichtiger, unser Mädchen ins Bett des Königs zu bekommen, als das Leben vieler Engländer zu schonen. Männer, die man in den Kriegsdienst zwingen kann, gibt es immer. Aber eine solche Chance für die Howards kommt nur einmal.«
|184| Frühling 1525
Die Nachricht aus Pavia erreichte uns im März. Eines frühen Morgens platzte ein Bote in das Gemach des Königs herein, als der noch kaum halb angezogen war. Wie ein kleiner Junge rannte Henry zur Königin. Ein Herold eilte ihm voraus, hämmerte an die Tür zu ihren Gemächern und schrie: »Seine Majestät, der König!« Wir alle taumelten recht unvollkommen bekleidet aus unseren Zimmern, nur die Königin war gefaßt und elegant wie immer, hatte sich eilig ein Gewand über ihr Nachthemd geworfen. Henry bahnte sich einen Weg zwischen uns Hofdamen hindurch zu seiner Gemahlin. Viele Male war er ihr untreu gewesen, auch in der Politik. Doch jetzt nach dem Sieg, in diesem Augenblick höchster Freude brachte er die Nachricht ihr, nun war Katherine wieder die Königin seines Herzens.
Er warf sich ihr zu Füßen, packte ihre Hände und bedeckte sie mit Küssen. Katherine lachte wie ein junges Mädchen und rief voller Ungeduld: »Was ist? Sagt es mir! Was ist?« Henry konnte nur rufen:
»Pavia! Gott sei gelobt! Pavia!«
Er sprang auf und tanzte und hüpfte mit ihr durch das Zimmer wie ein kleiner Junge. Die Herren seines Gefolges kamen erst jetzt herbeigerannt, denn er hatte sie in seiner Eile weit hinter sich gelassen. George stürzte mit seinem Freund Francis Weston ins Zimmer und trat an meine Seite.
»Was, um Himmels willen, ist denn los?« fragte ich, während ich mir das Haar zurückstrich und den Rock zuband.
»Ein großer Sieg«, antwortete er. »Ein entscheidender Sieg. Das französische Heer soll so gut wie vernichtet sein. Frankreich liegt schutzlos vor uns. Carlos von Spanien kann im Süden einfallen, und wir überrennen den Norden. Frankreich |185| existiert nicht mehr. Es ist zerstört. Das spanische Reich wird sich bis an die Grenzen des englischen Königreichs in Frankreich erstrecken. Wir haben das französische Heer vernichtend geschlagen und sind jetzt unumstrittene Herrscher Frankreichs, gemeinsam mit den Spaniern Herrscher über den größten Teil Europas.«
»François ist geschlagen?« fragte ich ungläubig und dachte an den ehrgeizigen dunklen Prinzen, der einmal mit unserem goldenen König gewetteifert hatte.
»In tausend Stücke zerschlagen«, bestätigte Francis Weston. »Was für ein Tag für England! Welch ein Triumph!«
Ich blickte zum König und zur Königin hinüber. Er hielt sie nun in den Armen und küßte sie auf Stirn, Augen und Mund. »Meine Liebste«, sagte er. »Euer Neffe ist ein großartiger General, und dieses Geschenk, das er uns gemacht hat, ist großartig. Frankreich wird uns zu Füßen liegen. Ich werde wirklich und wahrhaftig König von Frankreich und England sein, nicht nur dem Titel nach. Euer Neffe und ich, wir sind die größten Könige Europas, und unser Bündnis wird alles beherrschen. Alles, was mein Vater von Euch und Eurer Familie erwartet hat, wurde uns heute gewährt.«
Das Gesicht der Königin strahlte vor Freude. Henrys Küsse hatten Katherine um Jahre verjüngt. Ihr Teint leuchtete rosig, ihre blauen Augen blitzten, ihre Taille bog sich geschmeidig in seinen Händen.
»Gott segne die Spanier und die spanische Prinzessin!« brüllte Henry plötzlich, und alle Männer seines Hofes schrieen es aus voller Kehle nach.
George blickte mich von der Seite an. »Gott segne die spanische Prinzessin«, sagte er leise.
»Amen«, fügte ich hinzu und brachte es tatsächlich fertig, über ihre strahlende Freude zu lächeln. »Amen, und möge Gott sie stets so glücklich erhalten, wie sie jetzt ist.«
An jenem Morgen und an den vier folgenden Tagen waren wir im
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