Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
kleine Trippelschritte, mit schwingenden Hüften und einer Drehung meines Kopfes. Wir standen einander gegenüber, und er hob mich in die Luft, hielt mich dort fest. Applaus brandete um uns auf, und er setzte mich sanft wieder auf den Boden. Ich spürte, wie mir die Wangen vor Verlegenheit, Triumph und Verlangen brannten. Unsere Gesichter waren einander so nah, daß ich ihn, hätte er sich nur ein wenig vorgebeugt, hätte küssen können. Ich fühlte seinen Atem auf meinen Wangen, und dann sagte er sehr leise: »In mein Gemach. Sofort.«
In jener Nacht und auch in den meisten folgenden Nächten nahm er mich mit stetig wachsendem Verlangen mit in sein Bett. Ich hätte eigentlich sehr glücklich sein sollen. Gewiß waren meine Mutter und mein Vater und mein Onkel und sogar George entzückt, daß die Wahl des Königs erneut auf mich gefallen war und wieder einmal alle bei Hof sich um mich bemühten. Die Hofdamen aus dem Gemach der Königin traten mir so unterwürfig gegenüber wie ihr selbst. Ausländische Botschafter verneigten sich so tief vor mir, als wäre ich eine Prinzessin. Die Herren aus den Gemächern des Königs schrieben Sonette über mein goldenes Haar und den Schwung meiner Lippen, Francis Weston komponierte ein Lied für mich, und überall, wohin ich kam, waren die Menschen nur zu bereit, mir zu Diensten zu sein, mir zu helfen, mir den Hof zu machen und mir immer wieder zuzuflüstern, daß sie mir sehr |191| verbunden wären, wenn ich dem König diese oder jene kleine Angelegenheit zu Gehör bringen könnte.
Ich folgte Georges Rat und weigerte mich stets, den König um irgend etwas zu bitten, nicht einmal für mich selbst. Folglich fühlte er sich bei mir so wohl wie bei niemandem sonst. Wir lebten hinter den geschlossenen Türen unseres Privatgemachs in einem seltsamen Hafen häuslicher Vertrautheit. Wir speisten allein, nachdem man das Essen im großen Saal serviert hatte. Uns leisteten nur die Musikanten und vielleicht ein oder zwei ausgewählte Freunde Gesellschaft. Thomas More begleitete Henry auf das flache Dach, wo sie die Sterne betrachteten. Ich ging mit, blickte auch in den dunklen Nachthimmel und dachte bei mir, daß die gleichen Sterne auf Hever herabschienen, durch die Schießscharten blitzten und das schlafende Gesichtchen meines Kindes erhellten.
Im Mai blieb meine Regel aus, im Juni noch einmal. Ich erzählte es George, der mich fest an sich drückte. »Ich sage es Vater«, meinte er. »Und Onkel Howard. Gott gebe, daß es diesmal ein Junge ist.«
Ich wollte Henry die Nachricht selbst überbringen, aber die anderen beschlossen, daß diese Mitteilung so bedeutend war und so wunderbare Möglichkeiten für Gewinn mit sich brachte, daß mein Vater den König unterrichten sollte, so daß den Boleyns alle Ehre für meine Fruchtbarkeit zufiel. Mein Vater bat den König um ein Gespräch unter vier Augen. Der meinte, es hätte mit Wolseys langen Verhandlungen mit Frankreich zu tun, und zog ihn in eine Fensterlaibung, so daß keiner der Höflinge sie hören konnte. Mein Vater sagte lächelnd einen einzigen kurzen Satz, und ich bemerkte, daß Henry von meinem Vater zu mir herüberschaute, die ich bei den Hofdamen saß. Dann hörte ich seinen lauten Freudenjauchzer. Er kam durch den Raum zu mir geeilt und wollte mich gerade an sich reißen, als er innehielt, wohl aus Angst, er könne mir weh tun, und mir statt dessen die Hände küßte.
»Mein Herz!« rief er. »Die beste Neuigkeit! Die beste Nachricht, die man mir hätte bringen können!«
|192| Ich schaute mich um und blickte in staunende Gesichter, dann wieder auf die Wonne des Königs.
»Majestät«, sagte ich vorsichtig. »Ich freue mich so, daß ich Euch glücklich mache.«
»Ihr könntet nichts tun, was mir mehr Freude brächte«, versicherte er mir. Er zog mich auf die Füße und nahm mich zur Seite. Jede einzelne Hofdame beugte sich neugierig vor. Mein Vater und George traten vor den König und begannen ein lautes Gespräch über das Wetter und darüber, wie bald der Hof wieder zu seiner sommerlichen Staatsreise aufbrechen würde, schirmten das geflüsterte Gespräch zwischen dem König und mir vor neugierigen Ohren ab.
Henry drängte mich auf einen Fenstersitz und legte mir die Hand sanft auf das Mieder. »Nicht zu fest geschnürt?«
»Nein«, antwortete ich und lächelte zu ihm auf. »Es ist ja noch sehr früh, Majestät. Es ist ja kaum zu sehen.«
»Gebe Gott, daß es diesmal ein Junge ist«, meinte er.
Ich lächelte ihn mit
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