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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Euch doch sicher darauf vorbereitet, daß man Prinzessin Mary zurückweisen würde.«
    »Zurückweisen!« Henry sprang vom Stuhl auf, war zu entrüstet, um noch still sitzen zu bleiben. »Und Ihr wußtet es, Madam?«
    Die Königin mußte sich nun ebenfalls erheben, da ihr Gatte vor ihr stand. »Ja«, antwortete sie. »Der Kardinal hat recht. Der Botschafter hat erwähnt, daß man Bedenken gegen die Heirat mit Prinzessin Mary hegt. Ich habe nicht davon gesprochen, denn ich wollte es nicht glauben, ehe ich es nicht von meinem Neffen persönlich gehört habe. Und bisher habe ich das nicht.«
    »Ich fürchte, es gibt keinerlei Zweifel mehr«, mischte sich Kardinal Wolsey ein.
    Die Königin blickte ihn ruhig an, begriff, daß der Kardinal sie absichtlich zweimal dem Zorn ihres Mannes ausgesetzt hatte. »Ich bedaure, daß Ihr die Sache so seht«, meinte sie.
    Henry ließ sich wortlos auf seinen Stuhl sinken. Die Königin blieb stehen, und er forderte sie auch nicht auf, wieder Platz zu nehmen. Der Spitzenstoff am Oberteil ihres Gewandes bebte leicht, sie berührte zart den Rosenkranz an ihrer Taille. Ihre Würde und vornehme Erscheinung waren über jeden Tadel erhaben.
    »Wißt Ihr, was wir nun zu tun haben, wenn wir diese von Gott gegebene Chance ergreifen wollen, die Euer Neffe zu verschenken im Begriff ist?« fragte er eiskalt.
    Sie schüttelte schweigend den Kopf.
    »Wir müssen eine ungeheure Steuer erheben. Wir müssen noch einmal ein Heer zusammenrufen. Wir müssen einen neuerlichen Feldzug nach Frankreich unternehmen, noch einen Krieg ausfechten. Und diesmal müssen wir es allein machen, ohne Hilfe, denn Euer Neffe,
Euer Neffe
, Madam, erringt einen der glücklichsten Siege, die je einem König geschenkt wurden, und dann verschleudert er ihn.«
    |189| Selbst bei diesen Worten zeigte sie keine Regung. Doch ihre Fassung erzürnte Henry nur noch mehr. Er sprang vom Stuhl auf und stürzte sich auf sie. Der Hofstaat schrie entsetzt auf. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde die Königin schlagen, doch er fuchtelte ihr nur mit dem Finger vor dem Gesicht herum. »Und Ihr weist ihn nicht an, mir die Treue zu halten?«
    »Doch«, würgte sie durch halbgeschlossene Lippen hervor. »Ich empfehle ihm, sich an unser Bündnis zu erinnern.«
    Hinter ihrem Rücken schüttelte Kardinal Wolsey den Kopf.
    »Ihr lügt!« schrie Henry die Königin an. »Ihr seid mehr spanische Prinzessin als englische Königin!«
    »Gott weiß, ich bin eine treue Ehegattin und Engländerin«, erwiderte sie.
    Henry stürzte aus dem Raum. Ein Getümmel entstand, als die Höflinge ihm hastig den Weg frei machten. Die Herren des Königs verneigten sich knapp vor der Königin und folgten ihm. An der Tür hielt Henry noch einmal inne. »Ich werde das nicht vergessen«, schrie er zur Königin zurück. »Ich werde diese Beleidigung durch Euren Neffen weder vergeben noch vergessen, und genausowenig werde ich Euer Verhalten, Euer verdammt verräterisches Verhalten, vergeben oder vergessen.«
    Langsam und wunderbar elegant versank sie in ihrem tiefen, königlichen Hofknicks, hielt die Pose wie eine Tänzerin, bis Henry fluchend und lärmend verschwunden war. Erst dann erhob sie sich und schaute sich gedankenverloren um, sah uns alle an, die wir ihre Demütigung miterlebt hatten und nun wegblickten, damit sie nicht irgendwelche Dienste von uns verlangte.
     
    Beim Abendessen am nächsten Tag bemerkte ich, daß die Augen des Königs auf mir ruhten, während ich sittsam hinter der Königin in den großen Saal schritt. Als man nach dem Mahl Platz zum Tanzen machte, kam er zu mir, ging einfach an der Königin vorbei, wandte ihr beinahe den Rücken zu, während er vor mir stand und mich zum Tanz aufforderte.
    Man konnte leises Tuscheln hören, als Henry mich auf die |190| Tanzfläche führte. »Eine Volta«, rief er über die Schulter. Andere Tänzer, die sich zu uns gesellen wollten, traten ein wenig zurück und bildeten einen Kreis, um uns zuzusehen.
    Die Volta war ein Tanz wie kein zweiter, eine getanzte Verführung. Henry wandte seine blauen Augen keine Sekunde von meinem Gesicht, er schritt auf mich zu, stampfte mit den Füßen, klatschte in die Hände, sah mich an, als wolle er mich auf der Stelle nackt ausziehen, gleich hier, vor den Augen des gesamten Hofstaates. Ich verbannte den Gedanken an die Königin, die uns zuschaute, aus meinem Kopf. Ich hielt das Haupt hoch erhoben, die Augen starr auf den König gerichtet, und ich tanzte auf ihn zu, schlaue

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