Die Schwester der Nonne
etwas getan hatten, das die heilige Mutter Kirche nicht guthieß. War man deswegen ein böser Mensch? War man ein Verbrecher?
Katharina war sich sicher, nichts verbrochen zu haben. Sie wollte nur den Mann heiraten, den sie liebte.
Sie hörte den Riegel der Tür zurückschnappen und schlurfende Füße die Kellertreppe herunterkommen. Es war Bruder Tobias. Katharinas Körper spannte sich an. Von diesem unseligen Mönch erwartete sie nur Unheil.
Tobias brachte mehrere Pechfackeln mit und erhellte das Verlies. Katharina war sich nicht sicher, ob es derselbe Raum war, in dem Klaus gefangen gehalten worden war. Aber das war nicht von Bedeutung. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Sie war diesem Irren hilflos ausgeliefert.
Tobias hielt die Fackeln hoch und erhellte den Raum. Mit Entsetzen bemerkte Katharina verschiedene grausige Gerätschaften, die einzig dazu bestimmt zu sein schienen, anderen Leid und Schmerz zuzufügen. Da gab es einen Kamin und einen Blasebalg, wo ein Feuer wie in einer Schmiede entzündet werden konnte. Da hingen Zangen und Eisen an der Wand, da lagen Ketten und Gewichte am Boden. Ein seltsames eisernes Pferd mit einem Rücken wie die Schneide einer Axt konnte seinen Reiter in zwei Hälften zerteilen. Ein gewaltiger Stuhl aus schwerem Holz war innen mit Eisen gespickt wie der Rücken eines Igels. Eine Holzpritsche konnte mittels einer Winde auseinander gezogen werden. Wehe dem, der sich darauf befand! Auch eine Leiter gab es, wie sie die Knechte daheim benutzten, um ein geschlachtetes Schwein aufzuhängen.
»Nun, mein Täubchen, wie du siehst, habe ich allerhand Spielzeug, das mir Spaß machen könnte anzuwenden.« Tobias steckte die Fackeln in die Wandhalterungen. »Aber mir steht nicht der Sinn nach Spaß. Es ist ein ernsthaftes Geschäft, gegen das Böse in der Welt anzugehen. Und du verkörperst das Böse.«
Er trat ganz nahe an sie heran, und Katharina drehte angewidert das Gesicht ab.
»Deine Hoffart wird dir nichts nützen, du dummes Weib. Mit einer geflüchteten Nonne hat niemand Mitleid. Wer Gott beleidigt, hat seine Strafe verdient.«
»Ihr wisst genau, dass ich nicht Maria bin«, fauchte Katharina ihn an. »Ihr wollt den Propst betrügen und ihm weismachen, ihr hättet Maria gefangen, nur um ihm zu gefallen. Schämt Euch, Ihr verlogener Diener Gottes.«
Tobias’ schmaler Mund verzerrte sich im Zorn.
»Wie redest du mit mir, du verdammtes Weib? Ist es nicht gleichgültig, wer du bist? Ob diese Hure Katharina oder die entflohene Nonne Maria, ihr seid beide Hexen.«
»Der Propst scheint das anders zu sehen«, erwiderte Katharina. »Außerdem ist doch offensichtlich, dass ich keine entflohene Nonne sein kann. Mein Haar ist viel zu lang.«
Der Mönch verharrte mitten in seiner Bewegung und starrte Katharina an. »Wahrlich, das Haar! Was hast du gemacht, dass es so lang und lockig ist? Hast du einen Zauberspruch dahergesagt, hast du ein Mittelchen aus der Hexenküche verwendet?«
»Unsinn! Schaut mich genau an, dann seht Ihr Euren Irrtum.«
»Irrtum?« Tobias neigte den Kopf wie ein Raubvogel, der seine Beute beobachtete. »Es gibt keinen Irrtum.«
Er hielt die Fackel ganz nahe an Katharinas Haar, das augenblicklich Feuer fing. In Todesangst schrie sie auf. Das Feuer fraß sich durch ihre honiggelben Locken, versengte und verschmolz sie zu schwarzen Klumpen. Ihre Schreie gellten durch das Gewölbe.
Fasziniert schaute Tobias zu.
»Brenne, du Hexe. Nur Asche soll von dir übrig bleiben. Deine Seele soll in Rauch aufgehen, und nichts wird mehr an deine Schönheit erinnern, mit der du die Menschen blendest.«
»Was tust du da?«
Es war die herrische Stimme von Benedictus, die Tobias zusammenzucken ließ. Irritiert blickte er zur Treppe, die der Propst mit einem Gefolge von Chorherren heruntergeschritten kam. Zwei Schreiber waren dabei und ein Scharfrichter.
Tobias wich zurück, die Fackel immer noch in der Hand. Katharina wand sich in Schmerzen. Kopfhaut, Schultern und ein Teil des Gesichtes waren verbrannt.
Der Propst schüttelte missbilligend den Kopf.
»Die Wahrheitsfindung ist Sache des Scharfrichters«, wies er Tobias zurecht.
Dieser krümmte sich wie unter Schlägen zusammen. »Aber Ihr habt mir versprochen …«
»Schweig!«
Benedictus ließ sich schnaufend auf einem Lehnstuhl nieder, den zwei Mönche die Treppe heruntergewuchtet hatten. Mit einer Handbewegung wies er den Schreiber an, von nun an alles zu notieren, was gesprochen wurde. Er wandte sich an
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