Die Schwester der Nonne
schnell gehen, wollte er Katharina lebend herausbekommen.
Der Schrei der Gaffer signalisierte Hans, dass Katharina ins Wasser geworfen wurde. Er sah etwas Helles fallen, das sich aufbauschte. Kräftig stieß er sich ab und riss die Augen weit auf, um etwas zu erkennen. Die bräunliche Trübe ließ alle Konturen verschwimmen. Etwas über sich gewahrte er einen hellen Schimmer. Der Nesselstoff wirkte wie ein Segel, hatte sich voll Luft gepumpt und hinderte den Körper daran zu versinken. Mit einer Hand packte Hans Katharina, bekam den Kittel zu fassen und zog sie in die Tiefe. Gleichzeitig riss er das Messer aus dem Gürtel. Ihre Hände und Füße waren so gebunden, dass er nicht sehen konnte, wohin er schnitt. Er wollte sie nicht verletzen. So beschränkte er sich darauf, das Seil, an dem sie festgebunden war zu kappen. Hastig schlang er nun sein eigenes Seil um sie und zog sie gegen den Strom unter der Brücke weg. Sie war schwer wie ein Mehlsack und wehrte sich mit ruckartigen Bewegungen. Luftblasen stiegen aus ihrem aufgerissenen Mund. Mit einer Hand versuchte er, ihren Körper unter Wasser zu halten, mit der anderen presste er ihr das Röhrchen in den Mund. Doch Katharina spuckte es aus, und es verschwand mit den Luftblasen im Strom. Wollte er sie nicht ertrinken lassen, musste sie atmen. Er fasste ihren Kopf und drückte ihn nach hinten. Dann tauchte er mit ihr auf. Röchelnd rang sie nach Luft. Sie hustete und würgte und wehrte sich.
»Ruhig, ich helfe dir«, keuchte er. »Wir müssen tauchen. Atme tief ein!«
Zu diesem grausigen Bündel zusammengeschnürt, war es Hans unmöglich, normal mit ihr zu schwimmen. Er musste gegen die Strömung ankämpfen und gegen die Schwere ihres Körpers. Immer wieder kippte sie vom Rücken auf die Seite. Endlich bemerkte er eine Straffung des Seils. Klaus und Thomas zogen am anderen Ende. Noch einmal drückte er Katharinas Kopf zum Luftholen nach oben. Sie würgte und krächzte. Plötzlich löste sich das Seil, und er bekam sie gerade noch zu fassen, bevor sie mit der Strömung abtrieb. Auch sein Messer hatte er verloren. Er konnte ihre Fesseln nicht trennen.
Es waren übermenschliche Kräfte, die er mobilisierte. Längst wusste er nicht mehr, ob das Bündel, das er in seinen immer steifer werdenden Fingern hielt, noch am Leben war. Sein einziges Ziel war, um die Mündung zu gelangen. Wenn nur einer auf der Brücke rückwärts schaute …
Als Thomas bemerkte, dass sich das Seil plötzlich viel leichter ziehen ließ, ahnte er, dass etwas schief gegangen war. Obwohl er nicht schwimmen konnte und eine schreckliche Angst vor Wasser hatte, sprang er todesmutig hinein.
»Halt den Kahn fest!«, rief er Klaus zu.
Er hangelte sich am Ufergestrüpp entlang, zerkratzte sich Gesicht und Arme, verbrannte sich die Hände an den Nesseln und spürte mit Entsetzen die nasse Kälte seinen Unterleib umschlingen. Doch seine Gedanken waren bei Katharina. Er musste sie retten, auch um den Preis seines Lebens.
Unmittelbar nach der Einmündung erfasste ihn die Strömung der Elster und zog ihn mit sich fort. Verzweifelt krallte er sich an den dünnen Ästen eines Strauches fest. Sie brachen mit hartem Knacken. Nur einer hielt, an dem er sich mit einer Hand festhielt. Wenige Klafter neben sich sah er einen dunklen Schopf aus dem Wasser auftauchen und dann ein sich drehendes Bündel. Ein Wassergeist?
»Hans, hierher!«
Thomas reckte seinen freien Arm in die Strömung. Hans griff danach und zog den leblosen Körper von Katharina hinter sich her. Mit einem lauten Krachen brach der Ast, an dem sich Thomas festhielt. Doch sie hatten Grund unter den Füßen, morastig zwar und tückisch. Hans stand als Erster auf den Beinen und zerrte Katharina ans Ufer. »Heb sie mit an«, rief er Thomas zu, der sich aufrappelte und an das rettende Ufer warf. Auf dem Bauch liegend packte er Katharinas Kittel und einen Arm. Er drehte sie nach oben.
»Sie ist tot!«
Angsterfüllt starrte er in ihr Gesicht. Er hätte sie nicht wiedererkannt. Ihr Haar war nur noch eine dunkle, klumpige Masse, die das Wasser an ihren Kopf pappte. Eine Gesichtshälfte, der Hals, Schulter und Rücken waren verbrannt, und die Haut hing in Fetzen herab. Ihr Gesicht war bläulich angelaufen, ihr Mund stand weit offen.
»Oh, mein Gott, warum hast du das zugelassen?«
Thomas sank auf die Knie.
»Jammern kannst du später«, keuchte Hans und zerrte Katharina hinter den Mündungsvorsprung.
Dort lag das Boot mit dem erstarrten Klaus. Der
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