Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
hat.«
    Der Kaufmann nickte wohlgefällig.
    »Oh nein«, widersprach Sikora und schlug das Leinen auf. Darunter kam ein zarter, glänzender Stoff von roter Farbe zum Vorschein. Er nahm ihn außerordentlich vorsichtig in die Hand und breitete ihn aus. Allen Anwesenden im Raum entfuhr ein Schrei des Entzückens. Dieser Stoff war nicht nur außerordentlich fein, tausendmal feiner als das Leinen, und so leicht wie von Spinnweben gewebt. Auf dem roten Untergrund kringelten sich goldene Drachentiere mit geblähten Nüstern, vier Flügeln und gänzlich geschuppter Haut. Ihre Zungen, die aus dem Maul schlängelten, waren gespalten wie bei Vipern. Alles wirkte kostbar, wie für einen Kaiser gemacht.
    Der Gast schien ihre Gedanken erraten zu haben.
    »Es sind Stoffe für die Mandarine des Kaisers, die allein dieses Rot tragen dürfen. Die Seide wird aus den Fäden einer Raupe gesponnen, die auf Maulbeerbäumen sitzt und sich mit den Blättern voll frisst. Will sie sich verpuppen, spinnt sie einen Kokon aus feinsten Fäden. Die Kokons werden gesammelt, in heißes Wasser geworfen und der Faden wird wieder abgewickelt. Daraus weben die Chinesen diesen Stoff.«
    Ehrfürchtig beugten sich alle über die Truhe und staunten.
    »Das ist wirklich unglaublich«, murmelte Hieronymus. »Man sollte es nicht für möglich halten. Dieser Stoff ist zu kostbar, um getragen zu werden.«
    Der Gast lachte amüsiert.
    »Im Gegenteil, mein Lieber. Unser Landesherr ist ganz erpicht darauf.«
    »Der trägt solche Stoffe?«, staunte Hieronymus.
    »Er nicht, aber seine Damen«, amüsierte sich Sikora. »Ein Kleid aus Seide ist wie ein Hauch; man ahnt, was sich darunter für Köstlichkeiten befinden.«
    Die Männer lachten wieder. Philomena unterdrückte begehrliche Blicke. Wahrscheinlich reichte das Vermögen ihres Gönners nicht aus, um ihr diesen Stoff zu kaufen.
    Sorgfältig legte der Gast den Seidenstoff zusammen, und es blieb nur ein kleines Päckchen übrig, das er wieder in das Linnen einschlug. Allein die Hülle war schon ein Vermögen wert, stellte Maria fest. Ihr schwindelte. Der Gast versenkte seinen Arm in der Truhe und brachte ein weiteres Bündel heraus. Sorgsam wickelte er den Stoff ab.
    »Oh, ist das so ein Gott?«, rief Katharina aus.
    »Ganz recht, mein Kind, das ist ein Buddha.«
    »Der sieht aus wie einer unsere Mönche unten im Kloster«, jauchzte Katharina. »Der hat ein rundes Gesicht und lacht so, wenn er genügend Messwein getrunken hat.«
    »Aber die Mönche tragen eine Kutte«, stellte Maria etwas pikiert fest.
    »Sicher, aber wenn der Mönch keine Kutte anhat, sieht er auch so aus.«
    Die Amme schrie entsetzt auf.
    »Dieses Kind hat eine ganz verdorbene Phantasie. Das kommt von diesen Geschichten. Pfui, Herr, schickt doch die Kinder zu Bett, damit sie nicht noch mehr verwirrt werden.«
    »Bitte, nein«, riefen die Schwestern und schauten ihren Vater voller Verzweiflung an. Da kam endlich einmal ein interessanter und außergewöhnlicher Besuch in ihr Haus, und dann sollten sie ausgeschlossen werden. Um der Amme willen, die sich um das Seelenheil der Mädchen sorgte.
    »Pah, was ist schon dran an einem nackten Mann«, begehrte Katharina auf. »Eine Kugel Fett wie eine Schweinsblase und unten dran ein kleiner Zipfel.«
    »Woher weißt du das denn?«, staunte Hieronymus und versuchte, ein strenges Gesicht aufzusetzen.
    Maria packte Katharinas Handgelenk und zog sie zur Bank.
    »Vater, wir werden schweigen«, versprach Maria.
    Katharina warf dem Studiosus einen Blick zu. Der grinste vor sich hin. Sie hielt es für klüger, einfach zu schweigen, um den Abend nicht vorzeitig enden zu lassen. Folgsam nahm sie wieder auf ihrem Hocker Platz, den sie nun noch ein Stück weiter in Klaus’ Richtung rückte.
    Der Gast kramte nun lange dünne Stäbchen aus der Truhe hervor. Sogleich verbreitete sich ein würziger Duft.
    »Was ist das?«, fragte Hieronymus neugierig und betastete ein Stäbchen sacht mit den Fingerspitzen.
    Sikora erhob sich von seinem Stuhl, ging zur Öllampe und hielt das Stäbchen in die Flamme. Kurz darauf fing es an zu qualmen. »Das ist ein Räucherstäbchen, wie es in den heiligen Tempeln verwendet wird. Damit vertreibt man böse Geister und huldigt den Göttern.«
    »Es riecht fast wie in der Kirche«, stellte Maria fest.
    »Du hast Recht, es ist aus Weihrauch gemacht. Aber es gibt auch andere Düfte.«
    »Teufelszeug«, rief die Amme und hustete. »Wir sind ein christliches Haus. Wie könnt Ihr es wagen, es derart

Weitere Kostenlose Bücher