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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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der Riegel vorgelegt.
    Dort waren sie also , das Mädchen und die Gouvernante vom Eis, sie hatten das Ufer sicher erreicht. Nun erinnerte sich Rosina wieder genauer. Magnus hatte von Nachbarn der Paulis erzählt. Von der Dame des Hauses heiße es, sie sei eine sehr freundliche, auch schöne Frau, lebe jedoch ungemein zurückgezogen. Leider habe sie eines ihrer Kinder mit verkrüppelten Beinen geboren, womöglich liege darin der Grund für ihre Menschenscheu. Der Name der Familie war Rosina entfallen, sie hatte an jenem Tag anderes im Kopf gehabt, vielleicht hatte Magnus ihn gar nicht genannt. Jedenfalls war der Vater des Kindes, der Gatte der scheuen Dame, ein Kaufmann, nicht reich, doch «in guten Verhältnissen», wie es hier hieß, und mit besten Aussichten. Wenn sie auch das richtig erinnerte, handelte er neben anderem mit Holz, insbesondere mit Hölzern aus Übersee, zumeist aus tropischen Gefilden.
    Egal, wer die Nachbarn waren, die Nacht, in der Wanda Bernau gestorben war, war bitterkalt gewesen, wer öffnete da schon ein Fenster, um hinauszuschauen? Und die Scheiben waren von Eisblumen undurchsichtig gewesen. Wagners Leute hatten schon herumgefragt, niemand erinnerte sich an diese Nacht, niemand hatte etwas gehört oder gesehen.
    Sicher war nur, dass Wanda mit einigen der Frauen und Männer, die in jener Nacht im Ausschank beim letzten Maskenball bedient hatten, vom Gänsemarkt über den Jungfernstieg und dann am Zuchthaus vorbei und in die Raboisen gegangen war. Kurz vor dem Ende der Straße, wo der Weg für die anderen abzweigte, hatte sie darauf bestanden, das letzte Stück allein zu gehen, es seien nur noch wenige Schritte, das Haus sei schon zu sehen und die Nacht so kalt, jeder solle sich beeilen und den kürzesten Weg nehmen, Magda, das war eine der anderen Frauen, huste schon die ganze Zeit. So waren der Mann mit der Laterne und die beiden anderen Frauen zur Lilien- und zur Spitalerstraße abgebogen, froh, in wenigen Minuten zu Hause zu sein.
    Als Wanda über den Platz geeilt sei, fast gerannt, es war ja so furchtbar kalt, da habe sie noch einmal gezögert, sei ganz kurz stehen geblieben, das hatte der Mann, der die Schankgehilfinnen mit der Laterne heimbegleitet hatte, berichtet. Da habe er gedacht, sie werde doch noch um Begleitung für die letzten Meter bitten oder sich im Umsehen seiner Gegenwart versichern, es war ja so eine schwarze Nacht gewesen, recht unheimlich, und unterwegs hatten sie dunkle Gestalten mit Masken gesehen, sicher betrunkene Kerle von dieser letzten Ballnacht, die sich einen bösen Streich erlauben wollten, wie es oft vorkommt, besonders bei solchen Jungfern, die keine Familie haben, die sie beschützt. Ja, da kann eine Frau sich fürchten und tut sogar gut daran.
    Aber Wanda war gleich, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen, weitergeeilt und in die Dunkelheit getaucht. Wenn er gewusst hätte, welches Schicksal auf sie wartete – keine Sekunde hätte er sie allein gehen lassen. Er könne sich das nie verzeihen und hoffe, wenigstens der Himmel vergebe ihm.
    Die Paulis, hatte er noch hinzugefügt, nachdem er sich wieder gefasst hatte, hatten nie bei ihm und den anderen Frauen nachgefragt. Eine ihrer Dienstmägde war in einer eiskalten Nacht verschwunden, und sie nahmen es einfach hin – was war das für eine Welt!
    Rosina machte einem von zwei Männern mit gesenkten Köpfen geschobenen Schott’schen Karre voller Unrat Platz, dann wandte sie sich wieder um. Wenn Wanda Bernau aus den Raboisen gekommen war, war es bis zum Haus der Paulis wirklich nur noch ein Katzensprung gewesen, sie war dem Gang zwischen Drillhaus und Holzplatz nicht wirklich nahe gekommen, keinesfalls nahe genug, dass sie jemand von dort mit einem raschen Griff hineinziehen und zum Ufer schleppen konnte. Dass sie in dieser unwirtlichen Nacht aus einer romantischen Anwandlung ans Ufer gelaufen war, um die Idylle der Alster zu genießen, erschien Rosina absolut unwahrscheinlich. Sie war eine Dienstbotin in niedriger Stellung gewesen, also hatte sie mit Glück einen wollenen Umhang, keinesfalls einen wärmenden Pelz besessen, der zu einer solchen Caprice hätte verlocken mögen. Nein, es gab nur eine Erklärung – da war jemand gewesen, der sie gelockt hatte, deshalb hatte sie plötzlich gezögert. Jemand, den sie kannte? Sehr gut kannte. Oder zu kennen glaubte. Mit dem sie sich vielleicht schon früher dort getroffen hatte, wenige Schritte von dem Haus entfernt, in dem sie lebte. So war sie ihrem Mörder

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