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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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gesprochen? Worüber? Ist sie herumspaziert? Redet doch!»
    «Nein.» Sie entwand ihm ihren Arm und trat einen Schritt zurück. «Es ging ihr gestern ein bisschen besser, so schien es mir jedenfalls. Vielleicht war ihr Geist auch wieder klarer, aber so war es doch oft. Ich hätte gerne mit ihr geredet, es ist nicht gut, wenn sie immer nur so daliegt. Aber ich weiß ja, Ihr redet mit Madam, abends. Gestern wollte sie nicht reden, dabei ging ihr Atem ruhiger. Ja, das tat er. Auch sonst war sie ruhiger, aber sie hat nur gelächelt, mehr nicht. Tatsächlich», ihre Stimme und ihr Blick wurden nachdenklich, «sie hat wieder gelächelt.»
    «Madam hat schon immer gern gelächelt», beteuerte Alberte, die Köchin, aber niemand hörte zu. Außer Wagner.
    «So oder so», entschied er, nachdem weder dieser stocksteife Kerl von Diener noch die beiden Dienstmädchen etwas von Belang hinzuzufügen hatten, «Madam Hegolt hat das Haus verlassen. Ja, verlassen. Ist das Haus durchsucht worden?»
    Als Hegolt den Kopf schüttelte, widersprach Alberte. «Doch, ich habe mir erlaubt, ohne Eure Anweisung in alle Zimmer der oberen Etagen zu sehen, Mareike hat mir geholfen. Wir haben bis unters Dach jede Tür geöffnet. Ich dachte, vielleicht hat Madam begonnen zu schlafwandeln, davon hört man immer wieder, und sich irgendwo im Haus verloren. So krank, wie sie ist. Ich bin sicher, sie ist nicht hier. Nicht unter diesem Dach.»
    Auf Wagners Frage, ob denn niemand etwas gehört habe, in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden, zum Beispiel die Treppe knarren, Schritte, die Tür klappern. Gar Stimmen? Oder vor dem Haus einen Wagen?
    Er blickte genauso gespannt in die Gesichter der Dienstboten wie Hegolt. Alle schwiegen.
    «Nein», antwortete Alberte, als Älteste und in der Hierarchie der dienstbaren Geister ziemlich weit oben, endlich für alle. Sie habe auch die Töchter gefragt, Felice und Georgine, die beiden hatten wie alle anderen die ganze Nacht fest geschlafen. Der Sohn des Hauses habe schon in aller Frühe, als die meisten anderen noch schliefen, das Haus verlassen, um vor der Schule in den Reitstall zu gehen. Er habe dem jungen Herrn die Tür geöffnet, ergänzte der Diener, hätte Emanuel etwas gehört, hätte er es ihm ganz sicher gesagt.
    «Alle Schlafkammern sind oben», erklärte Alberte weiter, «die der Kinder in der dritten Etage, unsere noch eine Treppe weiter unter dem Dach. Da hört man kaum, was weiter unten vor sich geht.»
    «Erstaunlich», murmelte Wagner. Wenn das stimmte, war dieses Haus wie eine Festung gebaut. «Niemand schläft hier unten?»
    Nein, es gebe zwar die Abseite bei der Küche für ein Aschenmädchen, ein Kind aus dem Waisenhaus. Es lebe aber keines hier.
    Er bedauere das, erklärte nun wieder Hegolt. Es verstoße zwar nicht gegen die Regeln, doch das sei für ihn als Provisor nicht üblich. Es wirke leicht fragwürdig wegen des Kostgeldes, das ja aus der Kasse des Waisenhauses gezahlt werde.
    Wagner verließ das Haus missmutig. Hegolt hatte ihn um Diskretion gebeten, «beschworen» träfe eher zu. Was dachte dieser Mensch sich nur? Natürlich schadete eine, gleichgültig aus welchem Grund abhandengekommene Gattin seinem guten Ruf, das war nun nicht mehr zu ändern. Aber wenn das zur Nachricht gewordene Gerücht die Weddemeisterei im Rathaus erreicht hatte, wusste es jeder Straßenhändler, jede Marktfrau, jeder Kaffeehausbesucher, jeder zur morgendlichen Rasur und Frisur von Haus zu Haus eilende Barbier – eben alle, die Neuigkeiten schnell wie der Wind herumtrugen.
    Dass Hegolts Gattin verschwunden war, ging also längst durch die Stadt. Was ihn nun im Rathaus erwartete, wusste Wagner auch. Neugier von allen Seiten, mal mit hämischem, mal mit mitfühlendem Unterton – und seine Hoch- und Wohlweisheit van Witten. Zwei tote Frauen aus den Gängevierteln hatten den für die Wedde zuständigen Ratsherren nicht beunruhigt. So etwas kam vor, da hauste viel übles Volk. Eine verschwundene Ehefrau aus ordentlichem Haus war etwas ganz anderes, besonders wenn der Senator ihren Gatten bei mindestens einem Herrenabend im Herrmanns’schen Haus am Neuen Wandrahm getroffen hatte.
    Wagner lief durch die Stadt, ohne nach links und rechts zu sehen. Er lief alleine, was er recht angenehm fand, immer einen Soldaten an der Seite zu haben war doch ein wenig ungemütlich. Womöglich dachten die Leute, man führe ihn ab. Ihn, den Weddemeister. Die Sache mit Madam Hegolt war allerdings noch viel ungemütlicher.

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