Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Herrn. «Ich will sagen: zu niemand ein Wort, zumindest vorerst. Auch nicht zu den Nachbarn, hört ihr?»
    Dann ließ er sich von Henning aus den schmutzigen Stiefeln helfen und reine Kleidung bereitlegen, wies ihn an, das Pferd zum Stall zu bringen, trug Alberte auf, ihm ein Frühstück zu bereiten, nichts Besonderes, das Übliche, dazu allerdings eine Kanne chinesischen Tee. Als er sich gewaschen und umgekleidet hatte, ging er in die Schlafkammer seiner Frau. Die war vom oberen Stockwerk in den lichteren Damensalon im ersten Stock verlegt worden, als ihre Krankheit schlimmer und die Pflege aufwändiger wurde. Alberte sah von der Diele aus zu, wie er das Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. Behutsam, als liege Madam Hegolt in ihrem Bett und bedürfe der Rücksicht.
    Stille senkte sich über das Haus, nur von oben hörte man ganz leise ein Kind schluchzen. Gleich würden die Kontorschreiber kommen, es war nun ihre Zeit. Alberte ging in die Küche im Souterrain, um das Frühstück für die Mädchen und ihre Gouvernante zu bereiten, und dann für den Hausherrn.
    Er hatte schon so früh am Tag einen weiten Ritt hinter sich, unwahrscheinlich, dass man ihm dort in Wohldorf vor Sonnenaufgang ein Frühstück gemacht hatte. Natürlich war er sehr hungrig. Trotz der Beunruhigung.
    Oder trotz der Angst. Niemand hatte es erwähnt, auch Alberte nicht, obwohl es ihr auf der Zunge gelegen hatte. Aber alle wussten es. Madam Hegolt war in dieser Nacht oder sehr früh an diesem Morgen verschwunden. Niemand wusste, wo sie war, und in der Stadt lief jemand herum, der zwei Frauen getötet hatte.
    Alberte hatte gedacht, wenn niemand der Dienstboten über Madam Hegolts Verschwinden reden durfte, somit auch nicht nach ihr suchen oder Erkundigungen einziehen, wo sie sein könnte, würde er sich selbst auf den Weg machen. Als er nach einer Stunde immer noch in Madam Hegolts Zimmer war – Alberte hatte ihm das Frühstück hinaufbringen lassen –, seufzte sie einmal tief und handelte, wie sie es für richtig hielt.
    Später war sie bereit, auf die Bibel zu schwören, dass sie und die Dienstmädchen das Haus an diesem Vormittag keine Sekunde verlassen hatte. Henning hatte das Reitpferd zum Stall gebracht – angeblich hatte es schon geniest –, aber der gehorchte seinem Herrn wie ein Hündchen, genau wie Mlle. Meyberg. Gleichwohl verbreitete sich die Nachricht von Ina Hegolts Verschwinden in der Stadt rasant, und bald wurde an die Haustür geklopft.
    Als Henning öffnete, stand Madam Pauli davor, zum Ausgehen gekleidet, ihre perfekte Frisur war nach der neuesten Mode hoch aufgetürmt und von einem winzigen, nestartigen Gebilde gekrönt, in dem ein gelbgrünes Seidenvögelchen hockte. Das fabelhafte neue Kabriolett wartete wenige Schritte hinter ihr auf dem Platz vor dem Drillhaus. Es sei nicht nötig, Monsieur Hegolt zu bemühen, versicherte sie, er habe gewiss schwere Stunden, da wolle sie nicht stören. Wenn aber sie und auch Monsieur Pauli, überhaupt ihr ganzes Haus, in irgendeiner Weise hilfreich sein können – jederzeit. Man möge Nachricht schicken, und sie stehe gleich zur Verfügung. Wenn man eigentlich auch wenig miteinander bekannt gewesen sei, habe sie Madam Hegolt immer sehr geschätzt. Jetzt müsse sie einen Garten besichtigen, der ab dem Frühsommer zu mieten sei, in drei, höchstens vier Stunden werde sie jedoch zurück sein.
    Eine halbe Stunde später klopfte es wieder, diesmal kräftig. Vor der Tür stand Weddemeister Wagner, an seiner Seite ein junger Infanterist, der ihn um anderthalb Köpfe überragte. Wenn man seinen Dreispitz dazuzählte, waren es ganze zwei. Der Soldat stand mit respektvoll ernsthaftem Gesicht hinter dem kleinen, rundlichen Mann. Er wollte es sich auf keinen Fall mit ihm verscherzen, es gefiel ihm, den Weddemeister zu begleiten. Bisher hatte er dabei kaum anderes getan, als wichtig und möglichst furchteinflößend herumzustehen, aber das konnte sich bald ändern. Darauf hoffte er.
    Seine Kameraden hatten spöttisch gefeixt, als er zu diesem Hilfsdienst bei einem Zivilisten befohlen worden war, er hatte sich gefreut. Mit dem Weddemeister kam er immerhin in die Nähe von Mord und Totschlag. Eine geflüchtete Ehefrau empfand er dagegen als eine enttäuschende Angelegenheit, privat und belanglos. Der Weddemeister schien anderer Ansicht zu sein.
    Schon als das Gerücht frühmorgens durch das Rathaus geisterte, war der Weddemeister unruhig geworden, aber noch mit zwei bezeugten Hundedieben

Weitere Kostenlose Bücher