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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Straßenseite eine rundliche Gestalt mit kleiner weißer Haube. Unter ihrem bis über die Taille hinabreichenden dunklen Schultertuch blitzte ein blassblau und weiß gestreifter Rock hervor, wie ihn das Herrmanns’sche Hauspersonal trug. Das konnte nur Molly sein, und tatsächlich, als sie sich halb umwandte, und zwar zu einem Mann, der offenbar auf sie gewartet hatte, erkannte Augusta ihr Profil.
    Der Mann war jung, er hatte seinen Umhang über die Schulter zurückgeschlagen, der Dreispitz klemmte unter dem linken Arm. Er schien recht hübsch, genau war das leider nicht zu erkennen. Wer mochte das sein? Jedenfalls keiner der jungen Männer aus den Nachbarhäusern, die kannte sie alle, Herrschaften wie Dienstboten. Nun lächelte er auf Molly, die einen halben Kopf kleiner war, hinunter, er schwieg, sie redete eifrig – da wandte Augusta sich ab.
    Sie hatte sich bei dem Wunsch ertappt, das Fenster einen Spaltbreit zu öffnen und zu lauschen. Wie eine alte Klatschbase, die sonst nichts zu tun und zu denken hatte, das war niederträchtig. Aber eigentlich – eigentlich wäre es doch recht nett gewesen.

    «Am besten Honig. In heißem Wasser und mit ’n paar Tropfen Branntwein. Wirkt Wunder. Noch besser in heißer Milch, die ist ja immer gut. Ich mein richtige fette, nicht das verwässerte Zeug, wie sie’s Leuten wie uns verkaufen. Geht’s wieder?»
    Janne Valentin nickte, obwohl sie nur vage wusste, was der Flickschuster gesagt hatte. Wann hatte sie sich je so schwach gefühlt? Ihre Beine waren kraftlos, in ihrem Kopf machte sich Nebel breit. Sie durfte nicht krank werden, jetzt nicht.
    Es gab graue Tage, an denen haderte sie mit sich und dem Schicksal. Andere hatten es zu einer ordentlichen Wohnung, Federbetten und hübschem Geschirr gebracht. Ihre Wohnung verdiente diese Bezeichnung kaum, und der Untermieter, den sie für die Zeit aufgenommen hatte, bis ihr Mann und ihr Sohn von See zurückkamen, war seit vorgestern verschwunden. Samt der letzten Wochenmiete. Natürlich ging es vielen in der Stadt ebenso, vielen auch schlechter. Aber anders als die hatte sie eine Chance auf ein besseres Leben gehabt und nicht verstanden, sie zu nutzen. Sie war zu dumm gewesen, zu vertrauensselig. Vielleicht auch nur zu verliebt. Das war viele Jahre her, und an neuneinhalb von zehn Tagen fiel Janne immer gleich ein, wie froh und dankbar sie sein konnte, denn später hatte sie Matthes getroffen. Noch nach all den Jahren fühlte sie ein Schaudern, wenn sie daran dachte, wo sie sonst gelandet wäre. Zum Glück kam das selten vor.
    Wenn dieser vermaledeite endlose Winter vorbei und die Elbe endlich wieder eisfrei war, wurde alles besser. Dann kamen Matthes und Jakob zurück und brachten ihre gute Heuer mit. Der Wasserschout hatte erzählt, ihr Schiff liege vor Brunsbüttel und warte, bis die Elbe wieder schiffbar sei. Sie vermisste ihren Mann immer, wenn er auf See war, nie zuvor hatte sie jedoch so sehnsüchtig auf seine Rückkehr gewartet wie in diesen Tagen. So sehr, dass sie schon zweimal geglaubt hatte, ihn in der Menge am Hafen zu sehen. Nur ein Wunschbild, was sonst?
    Es musste noch einige Zeit dauern, mit Glück und endlich warmem Wetter nicht mehr lange. Das Eis brach schon. Dann war er wieder da, gesund und voller Geschichten, so wie immer, wenn er heimkehrte. Nur brachte er diesmal auch ihren Sohn mit zurück, voll Stolz von seiner ersten Fahrt. Etwas anderes verbot sie sich zu denken. Von kaum einer Fahrt kehrte die Mannschaft vollzählig oder auch nur gänzlich unversehrt zurück, aber Matthes war so zäh wie sie und Jakob ihrer beider Sohn. Es konnte gar nicht anders sein: Bald waren sie zurück. Und bevor sie wieder auf einem Schiff anheuerten, konnten sie in die bessere Wohnung umziehen. Matthes hatte es versprochen.
    Just bei diesem Gedanken war ihr schwindelig geworden, und sie war dem Flickschuster in seinen Arbeitsplatz gestolpert.
    Er hatte gelacht und sie genötigt, sich zu setzen, nur für einen Moment, sie sei ja bleich wie ’ne geschälte Gurke. Es hatte wohlgetan, eine bekümmerte Stimme zu hören, die nur ihretwegen bekümmert war.
    Sie kam häufig an seiner Werkstatt vorbei, einem kargen Raum neben der Hofdurchfahrt zum Brauer und Weinhändler in der Niederstraße. An den meisten Tagen verrichtete er seine Arbeit bei weit geöffneter Tür oder gleich ganz davor, wegen des besseren Lichts und weil er gerne mit Passanten oder Nachbarn schwatzte. Das tat er, ohne seine Arbeit zu unterbrechen, jedenfalls wenn

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