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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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zusammengepressten Lippen entzog sie Fanny ihren Arm und lief die elegant geschwungene Treppe nach oben.
    40
     
    A uf dem Bett, das in der Mitte des luxuriös eingerichteten Schlafzimmers stand, sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Lagen von Pappe, Papier und Unmengen von Bändern und Schnüren türmten sich in einem wilden Durcheinander darauf.
    Cathleen selbst stand in einem Traum aus hellgrüner Seide und Spitze vor dem großen Spiegel. Als sie Amalia bemerkte, die überrascht auf der Schwelle stehen geblieben war, strahlte sie und drehte sich sogleich in einem wirbelnden Kreis vor ihr. Der zarte Seidenstoff ihres Ballkleids flog um ihre Beine, und ihre Augen glänzten, nein, leuchteten – sie sah zauberhaft aus.
    Amalia, die sich an den Rand des Fensterbretts lehnte, lächelte. Sie bewegte die Hände. Du siehst wunderwunderschön aus. Man wird das Haus stürmen, um um deine Hand anzuhalten!
    Wirklich? Cathleen strahlte erneut. Doch dann ebbte das Lächeln auf ihren Lippen ab. Sie formte einige Zeichen. Willst du nicht doch mitkommen? Bitte. Es wird Spaß machen, und man wird sich bestimmt freuen, wenn du mich begleitest!
    Sie ergriff ihre Hände, doch Amalia schüttelte den Kopf und machte eine abwehrende Geste. Du weißt doch, so etwas ist nichts für mich … Sie lächelte, auch wenn es ihr nicht leichtfiel. Die Wahrheit war – sie wusste sehr genau, dass man sich keineswegs darüber freuen würde, wenn sie mitkäme. Die Einladung von den Lyshires für den Ball nächsten Monat war ausdrücklich nur für Cathleen ausgesprochen worden. Und selbst wenn nicht, hätte ihre Mutter vermutlich niemals gestattet, dass sie mitging, dachte sie bei sich.
    Cathleen hatte enttäuscht Amalias Hände losgelassen und wandte sich dem Spiegel zu.
    Amalia strich nachdenklich ihren Rock glatt. Das Bild ihrer Mutter, als sie mit der Einladung zu Cathleen gekommen war, wollte nicht aus ihrem Kopf weichen. Etwas daran gefiel ihr nicht. Es war nicht ihre übermäßige Freude gewesen. Amalia verstand durchaus, was die Einladung bedeutete. Die Lyshires, Lady und Lord Lyshire, waren adlig und sogar in London am Hof von Queen Victoria vorgestellt, wie ihr Cathleen erklärt hatte. Es glich einer Einführung in die Gesellschaft, dass ihre Schwester dorthin zum Ball gehen würde. Nein, was bei Amalia ein ungutes Gefühl hinterlassen hatte, war der Triumph, den sie in den Augen ihrer Mutter entdeckte. Und das, obwohl sie zu den wenigen Elternteilen gehörte, die nicht mit eingeladen waren. Diese beinahe unhöfliche Tatsache hatte die Euphorie ihrer Mutter jedoch nicht schmälern können, und Amalia war klar geworden, dass ihre Mutter Pläne mit Cathleen hatte. Sie runzelte die Stirn und verspürte einen Augenblick lang ein leichtes Schuldgefühl, weil sie froh war, dass sich dieser Ehrgeiz nicht auch auf sie selbst erstreckte. Es war nicht so, dass ihre Mutter sie jemals schlecht behandelt hätte – sie war freundlich und lieb zu ihr, doch auf eine distanzierte Weise. Sie mied es, mit ihr allein zu sein oder sie direkt anzusehen, und wenn sie mit ihr sprach, dann meistens über Miss Carrington oder Cathleen. Amalia empfand schon lange keine Bitterkeit mehr darüber, doch sie war nie das Gefühl losgeworden, dass ihre Mutter es persönlich nahm, dass sie ihr Gehör verloren hatte. Manchmal bekam sie mit, dass sie irgendwo stand und sie beobachtete – mit einem schmerzerfüllten Ausdruck des Bedauerns und einer gleichzeitigen Härte, die ihr Angst machte.
    Sie unterdrückte ein Seufzen, als sie aus den Augenwinkeln mitbekam, dass die Bewegungen ihrer Schwester zum Stillstand gekommen waren.
    Cathleen beobachtete Amalia im Spiegel. Ihre Blicke trafen sich.
    In einer schnellen Bewegung drehte sich Cathleen zu ihr um und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Bitte, komm doch mit!«
    Amalia las die Worte von ihren Lippen. Warum machte sie es ihr so schwer? Sie schüttelte den Kopf und deutete mit einer humorvollen Geste erst auf ihre Ohren und dann auf ihre Füße, bevor sie ihr mit einigen Zeichen zu verstehen gab, was sie davon hielt. Es ist ein Ball – man tanzt dort zur Musik, Cathleen! Und ich kann nicht hören und nicht tanzen!
    »Bitte. Ich bringe es dir bei …« Ein übermütiger Funke glomm in den grünen Augen ihrer Schwester auf. Ehe sich Amalia versah, hatte Cathleen sie bei der Hand gegriffen, hochgezogen und wirbelte mit ihr zu imaginärer Musik in einem Tanz durch den Raum. Gegen ihren Willen musste Amalia lachen. Ja, sie

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