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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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umzusehen. Ihr war sehr wohl bewusst, dass er ihr soeben das Leben gerettet hatte. Taras öffnete die Wagentür, und die beiden drängten hinein. Der Ukrainer gab Gas, musste aber gleich darauf wieder bremsen. Auf die Schreie des Alten hin hatten die Paschtunen, die im Auto geblieben waren, den Ausgang versperrt und eine Art Blockade errichtet.
    Taras richtete die Scheinwerfer auf sie, dann legte er den Rückwärtsgang ein und setzte rasch einige Meter zurück. Plötzlich hörte man auf der rechten Seite einen dumpfen Aufprall. Kirill zückte die Pistole. Vor ihm klammerte sich der Mann an die Wagentür, den Nadja Flavio genannt hatte. Er wollte gerade den Abzug drücken, als Nadja die Situation erfasste und zu schreien begann: »Lass ihn einsteigen!«
    Der Sibirier ließ das Wagenfenster runter und packte den Mann unter den Achseln, um ihn hineinzuziehen.
    Doch in diesem Moment knallten Schüsse durch die Luft.
    Flavio wurde am Rücken getroffen, er riss die Augen auf. Kirill schaffte es nicht, ihn festzuhalten, und der Körper des Italieners glitt leblos zu Boden.
    Nadja schrie entsetzt auf.
    Taras drückte, noch immer im Rückwärtsgang, das Gaspedal, dann drehte er sich plötzlich um die eigene Achse und fuhr vorwärts weiter. Er hatte den ersten Gang eingelegt und raste mit Vollgas auf den Hinterausgang zwischen den flachen Häusern zu.
    Kirill wandte sich um und klopfte einige Male auf das Blech, um die Männer im hinteren Teil des Wagens in Alarmbereitschaft zu versetzen. Einer der Ukrainer antwortete ihm von dort auf die gleiche Weise.
    Nadja hatte aufgehört zu schreien, aber sie war vor Schreck wie gelähmt.
    Â»Sie verfolgen uns«, bemerkte Taras, während er in den Außenspiegel blickte.
    Â»Nicht mehr lange«, erwiderte Kirill. Dann warf er eine Granate aus dem Wagenfenster. Einen Augenblick später waren die Scheinwerfer der Verfolger im Rückspiegel kaum noch zu sehen, sie verschwanden im grauen Dunst der Nebelkerze. Man hörte nur noch ein paar Schüsse, aber sehr gedämpft, als sei die Entfernung nunmehr unüberbrückbar.
    Wenige Minuten später hatte der Rettungswagen den Platz erreicht, auf dem der Hubschrauber wartete. Taras hupte drei Mal − das Zeichen, das er mit Igor vereinbart hatte − und fuhr auf die Laderampe, wobei er so wenig wie möglich vom Gas ging. Im selben Augenblick begann die MI -26 abzuheben.
    Nadja ergriff erneut Kirills Hand.
    Â»Flavio«, flüsterte sie unter Tränen.

18
    Moskau, Villa Derzhavin
Samstag, 25. Dezember, 22.43 Uhr
    Lena zog sich das Laken aus blauem Atlas über die Brust, während Gavril ausgestreckt neben ihr lag und zur Decke starrte.
    Der Tod seiner Frau hatte ihn härter getroffen, als es Lena für möglich gehalten hätte.
    Noch nie, seit sie seine Geliebte war, hatte Lena ihn vor die Wahl zwischen ihr und seiner Ehefrau gestellt, denn sie wusste nur zu gut, dass sein Herz für beide gleichermaßen schlug.
    Lena hatte gewartet. Natürlich war ihr Spiel dadurch begünstigt worden, dass Catherine ständig auf Promotion-Tour oder wegen Dreharbeiten unterwegs war. Sie war so klug gewesen, Catherines Rolle niemals in Frage zu stellen, und hatte sich immer zurückgezogen, sobald die Schritte der Rivalin durch die großen Räume der Villa hallten. Doch nun, da die Ereignisse ihr freie Bahn zu gewähren schienen, wurde die Situation plötzlich kompliziert. Und Gavril, der ihr immer das zu geben vermocht hatte, was sie für das Beste hielt, war mit einem Mal unerreichbar.
    An diesem Abend hatte Gavril sie zum ersten Mal abgewiesen. Lena ließ sich ihre Enttäuschung in keiner Weise anmerken. Es hätte nichts gebracht und ihn nur noch weiter von ihr entfernt. Sie musste mit Bedacht vorgehen. Mehr noch als sonst.
    Als sie endlich das Wort ergriff, kam sie direkt auf den Punkt: »Mord?«
    Gavril nickte.
    Â»Hat dir das die Polizei bestätigt?«
    Gavril verzog das Gesicht: »Ich weiß es von meinen Leuten, die bei dem Dreh dabei waren. Die Polizei ist viel später gekommen.«
    Â»Ermitteln sie deswegen noch?«
    Â»Nein.«
    Lena begann, seine Brust zu kraulen, ließ ihre Finger über die Tätowierungen gleiten, die seinen Oberkörper und die Arme bedeckten. Sie selbst hatte nur eine einzige Tätowierung, unterhalb des Nackens und kaum sichtbar: eine Biene − die Nummer vier in der Ogham-Symbolik. In

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