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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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von Briefen in Hunderte von Umschlägen. Es fiel ihr schwer, denn ihre Hände steckten in alten fingerlosen Strickhandschuhen. Eine Kassette lief - irgendein Professor laberte über chemische Gleichungen. Da sie mehrere Schichten Kleidung trug, sah sie normal aus, aber ihr Gesicht war a usgezehrt wie bei einem Geist.
    In diesem einen Moment, in dem er sie arm und gedemütigt vor sich sah, hatte er sie umlegen wollen. Das Vorgefühl seiner Rache war köstlich gewesen, aber er konnte es nicht tun, musste ständig daran denken, wie sehr er sie noch immer wollte.
    Also befahl er, sie solle ihre Sachen packen. Sie besaß nicht mal einen Koffer und stopfte ihre Habseligkeiten in zwei Plastiktüten. All das geschah zu einer Zeit, als er seinem ExSchwiegervater noch manchmal einen Gefallen tat, weshalb er über die Insignien der Macht verfügte: die Limousine, die Leibwächter, eine Suite in einem schicken Hotel an der Michigan Avenue. Er brachte sie und das Kind dort hin.
    Bevor er sie mit nach oben nahm, ging er zur Rezeption und sagte, sie werde ein paar Tage bei ihm wohnen, und alles, was sie bestellte, ginge auf seine Rechnung. Der für den Service zuständige Portier, der sie voller Abscheu musterte, wurde nervös. Der Trottel brachte ihn zum Lachen. Er wusste sofort, warum der Kerl so unruhig war.
    »Terry, zeig ihm deinen Ausweis.«
    Mit zitternden Händen und gesenktem Blick zog sie Führerschein und Studentenausweis der Northwestern University aus einer abgegriffenen Brieftasche.
    Der kleinen Schwuchtel war die Erleichterung anzusehen. Dabei war seine Besorgnis berechtigt - Terry wirkte kaum älter als zwölf.
    Er fuhr mit ihr hinauf zu einer Suite mit zwei Schlafzimmern und Panoramablick über die Stadt. Im Wohnzimmer standen mehrere Sofas, ein paar Stühle und Beistelltische sowie ein Esstisch - die Standardausstattung für ein Hotel-Penthouse. Aber auf sie wirkte es wie ein Palast. Er beobachtete, wie sie zu einer großen Keramikvase voller frischer Blumen ging. Sie berührte eine Lilie mit dem Finger. Als er sagte, sie sei echt, errötete sie über ihre Dummheit.
    Nachdem sie das Kind im kleineren Schlafzimmer ins Bett gebracht hatte, fragte er, ob sie hungrig sei, und warf ihr die Speisekarte vom Zimmerservice zu. Schüchtern suchte sie sich einen kleinen Salat aus - das Billigste auf der Karte. Er bestellte sich einen Hamburger und gab ihr die Hälfte davon ab, als er ihren gierigen Blick sah. Sie aß so langsam, als sei jeder Bissen ihr letzter; man konnte es nicht mit ansehen.
    Ihr Körper bestand nur noch aus Haut und Knochen, und als er mit ihr ins Bett ging, war sie schüchtern wie eine Jungfrau -und auch so eng -, was seine Leidenschaft nur noch steigerte. Er war grob zu ihr, voller Gier, aber sie behandelte ihn mit Respekt und Dankbarkeit. Sie schaffte es nicht zum Höhepunkt, und als es vorbei war, weinte sie. Ihre Seele war gebrochen. Sie hatte sich für einen halben Hamburger und eine Nacht im Warmen verkauft.
    Er hatte sie bestraft, gedemütigt. Das Gefühl war okay, aber nicht so gut, wie er es sich erhofft hatte. Er mochte sie nämlich immer noch. Es tat ihm weh, sie in so einem Zustand zu sehen.
    Er versuchte, nett zu sein. Lächelte. Plauderte. Fuhr ihr durchs Haar. Streichelte ihr Gesicht. Er wollte ihr noch etwas zu essen bestellen, aber sie sagte, sie habe keinen Hunger - eine offensichtliche Lüge. Er ließ den besten Champagner kommen, doch er musste ihn bis auf ein Glas allein austrinken. Als er aus dem Schlaf aufschreckte, um vier Uhr früh, saß sie mit einer Decke auf dem Sofa über ihren Lehrbüchern. Sie hatte die Vorhänge aufgezogen. Draußen schneite es heftig.
    Sie begrüßte ihn mit strahlendem Lächeln und sagte, dass sie zum ersten Mal seit zwei Monaten nicht friere und sich endlich auf den Stoff konzentrieren könne. Er war hundemüde, konnte aber den Blick nicht von ihr wenden. Falls sie spürte, wie er sie anstarrte, schien es sie nicht zu stören - so sehr war sie in ihre Lehrbücher und Notizen vertieft. Sie hatte höchstens ein oder zwei Stunden geschlafen, wirkte aber ziemlich frisch. Als der neue Tag dämmerte, wusste man nicht, wer sich nun an wem g erächt hatte.
    Alles war ihm wieder eingefallen... warum er sie so gern gehabt - nein, so geliebt hatte. Weil er jetzt im kalten Morgenlicht begriff, dass er innerhalb weniger Stunden seine Macht über sie verloren hatte. Er hatte sie gedemütigt, ihre Seele vergewaltigt, doch was konnte er ihr jetzt, außer körperlicher

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