Die Schwingen des Todes
haben alle unsere Methoden, stimmt's?«
»Sie sind ein verdammter Schnüffler.«
»Hört sich aus Ihrem Mund an wie ein Kompliment.«
»Mit wem wollen Sie reden?«
»Ryan Anderson und Philip Caldwell. Beide sind jetzt volljährig.« »Was wissen Sie über die beiden?« »Nichts.«
»Dann erzähl ich Ihnen was.« »Bitte.«
Merrin lehnte sich zurück, schaute an die Decke und faltete die Hände über dem Bauch. »Jede Stadt hat ihre schlimmen Finger. In Quinton sind es Anderson und Caldwell - zwei fiese kleine Arschlöcher, die meinen, es wäre total witzig, aus ihrer Stadt einen Saustall zu machen und zuzusehen, wie andere ihn sauber machen.«
»Die Eltern verfügen über Geld.«
»Allerdings, und wir beide wissen, dass man mit Geld viel sauber machen lassen kann. Aber sogar Geld kann nicht alles.« Er stellte den Kaffeebecher ab und beugte sich vor. »Das bleibt aber unter uns, verstanden?«
»Natürlich.«
»Diese beiden haben als Minderjährige hier ein paar riskante Dinger gedreht. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Als sie aus Miami zurückkamen und ich hörte, was da unten los war, habe ich sie und ihre Familien nach Strich und Faden zusammengeschissen. Ich glaube, wir sind zu einer Einigung gekommen, mit der beide Seiten zufrieden sind.«
Decker wartete.
»Das sieht in etwa so aus«, sagte Merrin. »Ich stecke meine Nase nicht in ihre Angelegenheiten, solange sie den Ärger außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs machen. Das heißt nicht, dass sie immer ungeschoren davonkommen. Wenn ich davon überzeugt wäre, diese beiden Scheißer hätten was mit dem Tod des Mädchens zu tun, würde ich ihnen den Arsch aufreißen. Aber abgesehen von schweren Delikten - Mord, Vergewaltigung, Körperverletzung, Raub - will ich nicht, dass Sie den beiden am Zeug flicken. Ich möchte nämlich nicht, dass die beiden mir oder den anständigen Bürgern von Quinton Ärger machen.«
»Kann ich mit ihnen reden?«
»Nein, Sie können nicht zu ihnen gehen und sie verhören. Aber wenn Sie mir ein paar Stunden Zeit lassen. kann ich vielleicht hier was arrangieren. Sauber, gemütlich und ganz offiziell.«
»Vielen Dank, Merrin.«
»Bis dahin sollten Sie sich ein gemütliches Restaurant suchen und in Ruhe Kaffee trinken. Oder wenn Sie ein bisschen Abwechslung brauchen, weil Ihre Frau weit weg ist, gehen Sie ins Tattlers und sagen Sie, Virgil Merrin hat sie geschickt. Dann kriegen Sie ein gutes Essen und einen schönen Anblick auf Kosten des Hauses. Tattlers ist sehr kooperativ, in seinem eigenen Interesse.«
Decker versuchte anzüglich zu grinsen. »Klingt gut.« Er ging e in kalkuliertes Risiko ein. »Ich hätte nichts gegen Gesellschaft. Kommen Sie mit?«
Merrin entblößte seine nikotingelben Zähne und lächelte, ließ Decker aber nicht aus den Augen. »Nett, dass Sie fragen, aber ich hab 'ne Menge Arbeit. Vielleicht ein anderes Mal.«
Decker nickte. »Gut.«
»Vielleicht hab ich Sie falsch eingeschätzt, Lieutenant.« Merrin musterte ihn weiterhin. »Vielleicht auch nicht, und Sie verschweigen mir was.«
»Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. Das ist das amerikanische Rechtsprinzip.«
Merrin zog eine Beretta aus dem Holster. »Das hier ist das amerikanische Rechtsprinzip.«
»Was wollen Sie damit sagen, Sir?«
»Dass man mit mir keine Spielchen treibt.«
»Das hab ich schon verstanden.« Decker stand auf. »Danke. Sie haben mir sehr geholfen.«
Merrin erhob sich und zog einen Knirps aus dem Papierkorb. »Den werden Sie vielleicht brauchen.«
»Prima.« Decker nahm ihn und streckte ihm dann die Hand hin. »Nochmals danke.«
»Kein Problem. Ich helfe gern.«
Tattlers war keine schlechte Idee. Mit einem Taxi wäre er gegen halb vier da, schätzte Decker - nach dem Andrang in der Mittagspause, aber noch vor Feierabend. Mit ein wenig Geduld und Charme konnte er einem der Mädchen ein paar Dollar für ein Gespräch zuschieben. Natürlich würden sie es nicht offen tun, aber wenn er es clever genug anstellte, würde vielleicht was dabei herauskommen. Wenn nicht, verging wenigstens die Zeit. Merrin hatte gesagt, er solle in ein paar Stunden wiederkommen. Wenn er gegen fünf in Quinton war, hatte der Chef m öglicherweise einen oder auch beide Jungs da. Oder keinen.
Denn irgendwas an Merrins Verhalten hatte Decker stutzig gemacht. Eigentlich machte ihn an diesem Mann eine Menge stutzig, aber besonders eine beiläufige Bemerkung: »Wenn Sie ein bisschen Abwechslung brauchen, weil Ihre Frau weit weg ist, gehen Sie
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