Die Seele der Elben
Garness dem Bardenstein fernblieb â obwohl es verständlich war. Den amtierenden Meistersänger und ihn verband eine heftige Feindschaft.
»Hier entlang, bitte, meine Herren«, hörte ich den Haushofmeister rufen. Wir hatten im Gespräch einen abzweigenden Gang verpasst, aus dem uns nun Herr Anselm mit besorgter Miene entgegenkam. Sein Gesicht hellte sich auf, als er die beiden Barden erblickte. »Ach, Garness, das ist schön! Wärest du so freundlich, unsere beiden Gäste zum Gartenzimmer im grünen Korridor zu führen?« Er wandte sich an uns: »Sie müssen verzeihen, aber ich bin derzeit mit Arbeit überhäuft. Die Verlobungsfeier der Prinzessin, Sie verstehen. Deshalb kann ich Sie auch nur im Gartenzimmer unterbringen, unsere übrigen Gästegemächer sind allesamt belegt.« Er machte eine kleine, verlegene Verbeugung. »Das Gartenzimmer ist zwar nicht groÃ, aber dafür sehr hübsch, und es hat den schönsten Blick von allen Zimmern. Morgensonne«, fügte er hinzu, was mich zum Lächeln brachte. Anscheinend hatte er sich meine Vorliebe für Sonnenaufgänge gemerkt. Bemerkenswert. Ich musste mich mit ihm einmal eingehender unterhalten und sehen, was er sonst noch an Informationen und Geschichten in seinem kugelrunden Kopf verwahrte.
Wir dankten dem Haushofmeister, der deutlich erleichtert davoneilte.
»Verlobung?«, fragte Maris, dessen Lebensgeister sich langsam von den Strapazen des Fluges zu erholen schienen.
Der Hofbarde nickte mit seltsam gequältem Ausdruck. »Die jüngste Prinzessin, Vanandel«, erläuterte er. »Ihr Vater hat endlich einen Bräutigam gefunden, der seinen Beifall findet.«
Ehe einer von uns sich dazu äuÃern konnte, öffnete Garness die Tür zu einem hellen, groÃzügigen Zimmer, das wie versprochen auf den Schlossgarten blickte. Ich eilte mit einem Ausruf des Entzückens zu einem der bodentiefen Fenster, vor dem eine nicht gerade kleine Terrasse lockte. Das war das bescheidene Quartier, für das der Haushofmeister sich so wortreich entschuldigt hatte? Ich öffnete die Terrassentür und vergaà über dem wunderbaren Ausblick auf alte Bäume und sorgfältig gestutzte Hecken eine Zeit lang alles um mich herum.
»Und die Prinzessin?«, hörte ich Maris fragen. »Findet der Bräutigam auch ihre Zustimmung?« Seine Stimme klang missbilligend.
»Sie hat sich mir gegenüber dazu nicht geäuÃert«, erwiderte Garness seltsam steif. Ich löste meine Aufmerksamkeit von der grünenden und blühenden Pracht und sah ihn an. Was auch immer dahinterstecken mochte, Garness hatte ein schlechtes Gewissen.
Das musste auch Maris bemerkt haben. Er tastete umher, bis er einen Sessel gefunden hatte, in dem er sich niederlieÃ. »Also erzähl«, sagte er. »Was ist zwischen dir und ihr?«
Ich musste mich bremsen, nicht zu prusten. Was sollte sein zwischen einer Prinzessin und dem Barden ihres Vaters? Natürlich nichts.
Garness seufzte und hockte sich auf eine Truhe vor dem Bett. »Sie war ein bisschen in mich verliebt, glaube ich.«
Das arme Mädchen.
»Aber wahrscheinlich hat sie bloà gehofft, dass ich ihr helfe, von hier wegzukommen«, fuhr er fort. Es klang sehr nach dem Versuch, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, die keiner von uns gegen ihn erhoben hatte.
»Sie ist unglücklich«, stellte Maris fest. Garness nickte.
»Sie ist recht frei aufgewachsen«, sagte er. »Ihre Mutter starb nicht lange nach ihrer Geburt, und danach ist sie einer Reihe von Kindermädchen und Gouvernanten auf der Nase herumgetanzt.« Er lächelte, in Erinnerungen versunken. »Dann habe ich mich um sie gekümmert. Ich bin ihr Hauslehrer â beziehungsweise, ich war es. Wir haben uns entzweit.« Wieder dieser schuldbewusste Tonfall. Ich grinste, weil ich mir vorstellen konnte, was da geschehen war. Garness war ein Herzensbrecher, aber zu seiner Entschuldigung musste man anführen, dass er es ganz und gar nicht darauf anlegte, Frauen für sich einzunehmen. Ganz im Gegenteil â aber sein distanziertes Verhalten heizte ihr Interesse in der Regel noch an, statt es abzukühlen.
»Jetzt erzählt schon â was treibt euch her? Doch bestimmt nicht die Aussicht auf eine Verlobungsfeier«, fragte er betont munter.
Maris schüttelte den Kopf. »Ich begleite nur unseren Freund hier, damit er seine Arbeit
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