Die Seelenburg
die Tür auf.
Drei Schritte benötigte er, dann ging er neben der Frau auf die Knie nieder.
Vorsichtig drehte er sie auf den Rücken. »Mein Gott«, flüsterte er nur, als er in das blutüberströmte Gesicht schaute. Und er wußte sofort, daß hier nicht mehr viel zu machen war.
Die Frau lebte noch. Sie öffnete den Mund, denn sie mußte gemerkt haben, daß sich jemand um sie kümmerte. Sie wollte etwas sagen, und Carlo brachte sein Ohr dicht an ihre Lippen.
»Der—der—Brief. Unter—Pullover!«
Die Worte verstand Carlo sehr deutlich. »Was ist mit dem Brief?« fragte er hastig. Er erhielt keine Antwort mehr. Die Frau war soeben gestorben.
Don Carlo war blaß geworden. Er drückte ihr die Augen zu, faßte unter den Pullover und fand den Brief. Die Adresse war zu erkennen.
Das Schreiben war an eine gewisse Jane Collins adressiert, die in London wohnte. Carlo steckte den Brief ein. Er hatte sich entschlossen, ihn abzuschicken, denn der Brief mußte wichtig sein.
Zuvor mußte er die Kantonspolizei alarmieren. Das nächste Telefon befand sich nicht weit entfernt. Ein guter Bekannter von ihm besaß dicht am Eingang des Dorfes eine Konditorei. Der Mann hieß Rihm, wurde aber nur Sir Archibald genannt.
Den klingelte Carlo vom Fernsehapparat weg.
»Du?« fragte der grauhaarige Sir Archibald und hob überrascht seine Augenbrauen.
»Ja, ich.«
»Was ist los?« Sir Archibald Rihm gab die Tür frei.
»Ich muß unbedingt telefonieren.« Don Carlo berichtete, wie er die Tote gefunden hatte.
»Das ist ja schrecklich.« Der Konditor wurde blaß und rief nach seiner Frau.
Carlo telefonierte inzwischen. Als er auflegte, wurde er mit Fragen bestürmt. Er konnte nur die Schultern heben.
»Dann ist sie vielleicht abgestürzt«, vermutete Sir Archibald und schenkte einen Pflümli-Schnaps ein.
»Nein.«
»Wieso nicht?«
Carlo nahm das Glas und leerte es mit einem Zug. »Ich habe viele Menschen gesehen, die verschüttet gewesen oder abgestürzt sind. Die sahen anders aus.«
»Und die Frau hier?« fragte Rihm.
»Tja, wie soll ich sagen?« Carlo hob die Schultern und hielt sein Glas hin und bekam nachgeschenkt. »Also diese Frau kam mir vor, als wäre sie von einem wilden Tier zerrissen worden. Ja, wirklich, von einem wilden Tier.«
Die Rihms starrten ihn aus großen, ungläubigen Augen an. Don Carlo leerte auch das zweite Glas auf ex.
***
Glenda Perkins sah ich, meinen Bewacher allerdings nicht. Er mußte im toten Winkel der Tür gelauert haben.
Meine Sekretärin stand allein vor der Bar. Den Wirt sah ich im Hintergrund. Er sagte kein Wort und verschwamm praktisch mit der Dunkelheit.
Ich schluckte. »Wenn das keine Überraschung ist, dann will ich nie mehr Geister jagen.«
»Es tut mir leid«, sagte Glenda.
»Und ihr Klassentreffen?« fragte ich.
»Das gibt es nicht.«
»Aber Sie haben es mir erzählt.«
»Natürlich und dafür entschuldige ich mich auch. Ich mußte Sie ja irgendwie hierher bekommen.«
»In die Falle locken, meinen Sie.«
Da schüttelte Glenda hastig den Kopf. »Nein, John, so ist das nicht. Da will nur jemand mit Ihnen reden.«
»Der hat mir soeben eine Kanone in die Seite gepreßt.«
»Das war nicht abgemacht.«
Ich lächelte. Mein Zorn war schon verflogen. »Wer ist es denn?« erkundigte ich mich.
»Er heißt Pykka.«
»Kenne ich nicht.«
»Ein Druide.«
Oh. Jetzt wurde es interessant. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
»Wirklich ein Druide? Wie kommen Sie an ihn, Glenda?«
»Er hat sich bei mir gemeldet und wollte mit Ihnen reden. Ich sagte ihm, er solle in Ihr Büro kommen, aber das wollte er nicht. Er hatte einen anderen Plan, dem ich schließlich zustimmte, als es ihm gelang, mich zu überreden.«
»Und jetzt steht er hinter mir?«
»Ja.«
Ich sah keinen Grund mehr, weiterhin starr auf dem Fleck zu stehen, und drehte den Kopf.
Verdammt, ich sah ihn nicht, aber der Druck an meiner Hüfte verschwand plötzlich. Einen Lidschlag später geriet Pykka in mein Sichtfeld. Der Druide war wirklich lustig anzusehen, doch ich hütete mich, ihn zu unterschätzen. Auch Myxin, der Magier, war klein. Dieser hier erreichte ihn an Größe allerdings nicht. Pykka war von zwerghaftem Wuchs, hatte lange Arme und einen übergroßen Kopf. Die Kleidung hatte er sicherlich irgendwo gefunden, denn so sah sie aus. Die Waffe hielt er noch immer fest, allerdings senkte er jetzt den Lauf, so daß er zu Boden wies.
»Stecken Sie die Puste lieber gleich weg«, wies ich ihn an.
Er legte den
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