Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
ungerührt, nachdem sie
vergeblich versucht hatte, einen Puls zu ertasten. Sie fasste nach den losen,
auf dem Boden liegenden Fesseln, um sie näher zu inspizieren. "Sieh dir
das an, Lukas." Sie hielt ihm ein Ende der Schnur entgegen.
„Sieht aus wie
durchgeschnitten."
"Genau.
Ich frage mich ...", murmelte Rabea und tastete den Vollstrecker in
Hüfthöhe ab. Tatsächlich, dieser hatte unter seinem locker getragenen Poloshirt
einen weiteren Ledergürtel mit einer daran befestigten Tasche und allerlei
nützlichem Werkzeug verborgen, mit dem es ihm auch möglich gewesen war,
unbemerkt in Isas Haus einzudringen. In der Mitte steckte in einem der
Lederköcher ein kleineres Messer, das er trotz seiner auf dem Rücken
gefesselten Hände greifen und die Fesseln damit hatte durchschneiden können.
Rabea nahm ihm das Perpetuum mobile des modernen Einbrechers ab und legte es
auf den Tisch. "Ganz schön ausgebufft, oder? Tut so, als ob er völlig
weggetreten ist, befreit sich von den Fesseln, um im geeigneten Moment
zuzuschlagen. Hast du gesehen? Eine der Lederhüllen am Gürtel ist leer und hat
Form und Länge eines größeren Messers. Ich gehe jede Wette ein, dass hier genau
das Messer fehlt, mit dem unser Schönling hier Grassas Beamten in Rom erledigt
hat." Rabea versuchte erneut, den Puls des Mannes zu fühlen. "Ich
kann ihn nicht ertasten, ich glaube, er ist wirklich hinüber, aber sicher ist sicher.
Ich habe leider die Erfahrung gemacht, je mieser die bösen Jungs sind, umso
zäher sind sie auch. Vorsichtshalber fessele ich ihn wieder."
"Glaubst
du nicht, wir sollten vielleicht einen Arzt rufen? Immerhin ist er doch ein
Mensch", wagte Lukas vorsichtig einzuwenden, während er Rabea dabei
beobachtete, wie sie die Hände des Mannes grob packte und verschnürte.
"Lukas,
das ist kein Mensch. Mathematisch gesehen ist er eine Anomalie, ein Störfaktor
in der Gleichung Mensch, ein Teufel auf zwei Beinen. Hast du seine kalten Augen
gesehen? Ich kenne diesen Typus, bin ihm oft genug in Afghanistan, Serbien und
im Irak begegnet. Das sind Söldner des Bösen. Diese Menschen leiden unter einer
maßlosen Selbstüberschätzung und Selbstliebe. Sie töten für Geld und was weit
schlimmer ist, es macht ihnen Spaß zu töten. Sie genießen es, geilen sich an
ihrer Macht über Leben und Tod auf. Ich möchte nicht wissen, wie viele
Unschuldige der hier bereits auf dem Gewissen hat. Hoppla, Fehler. Was sagte
ich soeben? Gewissen? So was besitzt einer wie der überhaupt nicht. Also lass
auch dein Gewissen aus dem Spiel, Lukas, o.k.? Erinnere dich, er wollte dich
gerade kaltblütig abknallen. Der hat dein Mitleid nicht verdient.“
„Trotzdem
ist er ein Mensch und Gottes Geschöpf, egal was er getan hat und es ist nicht
an uns, über ihn zu richten. Ich werde ein kurzes Gebet für ihn sprechen. Such´
du inzwischen eine Decke“, beharrte Lukas. Rabea verdrehte zwar die Augen, ließ
ihn aber gewähren und kehrte mit einer flauschigen Wolldecke zurück, die ihrer
Meinung für den Typen viel zu schade war. Lukas deckte den Mann damit
sorgfältig ab. Da er unschlüssig vor dem Mann knien blieb, zog ihn Rabea sanft
an seinem Arm hoch: „Glaub mir, Lukas, der ist tot und die Welt ist ohne ihn
ein ganzes Stück besser und sicherer. Komm jetzt, nebenan ist Isas
Schlafzimmer. Ich möchte, dass du dich kurz hinlegst, während ich dich säubere
und verbinde. Du bist ganz hübsch blass um die Nasenspitze, mein Lieber."
Mechanisch griff sie nach ihrem auf dem Tisch liegenden Handy und steckte es in
ihre Jeansshorts. Dann hakte sie Lukas energisch unter und führte den nun
Widerspruchslosen in Isas Schlafzimmer führte, dessen Interieur einem
Jane-Austen-Roman entsprungen schien. Sogar ein mit schweren silbernen
Kerzenleuchtern dekorierter Marmorkamin fehlte nicht. Rabea steuerte sofort das
riesige Bett an, schlug den champagnerfarbenen Bettüberwurf aus Seide zurück
und enthüllte blitzend weiße Bettwäsche mit Rändern aus geklöppelter Spitze.
Schwacher Lavendelduft stieg aus den seidenen Laken auf. Alles sah so frisch
und rein aus, dass der erschöpfte Lukas meinte, noch nie einer einladenderen
Schlafstätte begegnet zu sein. Er protestierte nicht, als ihn Rabea mit sanften
Nachdruck nötigte, sich hinzulegen.
"Meine
Güte", stöhnte sie und umfasste mit einem Blick die opulente Ausstattung
des Raumes. "Ich hätte nicht gedacht, dass Isa mit ihren Büchern so viel
verdient. Die Antiquitäten hier müssen ein Vermögen gekostet haben. Wenn
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