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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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immer", forderte sie Lucie im Brustton der
Überzeugung auf, dass ein gutes Essen tatsächlich immer und sofort alle Sorgen
vertreiben konnte. Sie war bereits dabei, eine der beiden Brotscheiben
großzügig mit dem würzigen Prosciutto zu belegen und schob Lucie einladend den
Teller zu, als diese erneut vom Telefon zurückkehrte. Noch immer belegt.
    "Los,
los, Kindchen, essen Sie. Ist alles ganz frisch und selbst gemacht",
verkündigte sie mit dem Stolz der Köchin.
    Lucie,
die der Heißhunger beim Anblick der einfachen Köstlichkeiten übermannt hatte,
ließ sich nicht lange bitten.
    Entzückt
beobachtete Anna, wie ihr Gast hungrig ihre weißen Zähne in das knusprige Brot
grub. Plötzlich ließ Lucie das Brot auf den Teller zurückfallen und sprang
erschrocken auf. Jemand hatte das Haus betreten und ging den Flur entlang.
Panisch sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um und stürzte zum Fenster,
als bereits ein großer schwerer Mann das Wohnzimmer betrat. Anna, alarmiert von
Lucies Reaktion, hatte sich ebenfalls erhoben. Doch nun breitete sich ein
freudiges Lächeln auf ihrem zerfurchten Gesicht aus:
    "Keine
Angst, Lucie", beruhigte sie sie. "Das ist mein Sohn Alfredo.
Alfredo, das ist Lucie. Wir müssen ihr helfen, Lucie ist entführt worden und
hat Angst."
    Alfredo
ging ruhig auf sie zu und streckte ihr seine breite, schwielige Hand entgegen.
Er roch schwach nach Gülle, was eindeutig auf seine bräunlich gesprenkelte
Arbeitshosen zurückzuführen war. Dabei war ihm keinerlei Überraschung
anzumerken, so als ob es für ihn gang und gäbe wäre, dass er seine Mutter jeden
Tag zusammen beim Essen in seinem Wohnzimmer mit einer entführten Fremden
antraf. Doch sein gleichmütiges Verhalten erklärte sich, als er verkündete:
"Ich habe mir schon etwas Ähnliches gedacht, als ich sie mit unserer
Monalisa davon galoppieren sah. Ich war der Mann auf dem Traktor und habe
gesehen, wie die zwei Männer hinter ihnen her waren. Habt ihr schon die Polizei
benachrichtigt, Mama?", fragte Alfredo, der ein besonnener Mensch zu sein
schien. Er war Anfang fünfzig, mit einem kugelrunden Bauch unter den
ausgeblichenen Drillichlatzhosen, hatte schütteres, verblichenes Haar und die
gleichen gütigen braunen Augen wie seine Mutter.
    "Wir
haben versucht, die Polizei in Monte Bello anzurufen, aber es ist dauernd belegt.
Ich werde es gleich nochmals versuchen", antwortete Lucie und lief zurück
in den Flur. Sie drückte auf die Wahlwiederholung, doch es ertönte weiter das
Besetztzeichen. Nervös trommelte sie mit ihren ramponierten Fingernägeln auf
der Kommode und versuchte es gleich nochmals. Ohne Erfolg.
    Alfredo
war ihr gefolgt: "Und, immer noch belegt?"
    "Ja,
leider. Aber ich muss hier weg. Die zwei suchen mich bestimmt und es ist nur
eine Frage der Zeit, bis sie hier auftauchen."
    Alfredo
schien einen Moment zu überlegen. "Also, selbst wenn wir die Polizei in
Monte Bello sofort erreichen würden, dauert es nochmals mindestens zwanzig
Minuten, bis sie hier wären. Vorschlag: Ich hole meinen Wagen aus der Garage
und bringe sie direkt dorthin." Lucie wäre ihm vor Erleichterung beinahe
um den Hals gefallen. Anna sah es mit Wohlgefallen.
    "Mama",
wandte Alfredo sich an seine Mutter: "Hol´ für alle Fälle unsere
Schrotflinte und mein Jagdgewehr. Ich mag keine Überraschungen."
    "Das
ist eine gute Idee, Alfredo." Geschäftig lief Anna davon.
    "Kann
ich kurz Ihre Toilette benutzen?“ fragte Lucie.
    "Natürlich,
am Ende des Flures, um die Ecke rechts."
    Lucie
sah nur flüchtig in den halbblinden Spiegel, der mit bunten Plastikblumen
beklebt war. Keine Zeit für Eitelkeit. Die altmodische Klobrille war aus Holz.
Gerade als sie an der Kette der Spülung ziehen wollte, hörte sie einen Wagen
vorfahren. In der Annahme, es wäre Alfredo, lugte sie neugierig aus dem
schmalen Toilettenfenster, welches direkt in den Hof schaute. Erschrocken
zuckte sie vom Fenster zurück. Es war der Wagen ihrer Entführer. Vorsichtig hob
sie nochmals ihren Kopf. Die beiden Männer stiegen gerade aus und Alfredo ging
ihnen freundlich lächelnd entgegen. Ohne Vorwarnung zog plötzlich der ältere
Wortführer eine Waffe und streckte Alfredo mit einem einzigen Schuss nieder.
Völlig geschockt musste Lucie mit ansehen, wie der große, kräftige Mann wie ein
gefällter Baum langsam vornüber kippte. Im selben Moment durchzuckte sie ein
Gedanke: Anna, sie würden auch Anna töten! Sie musste sich den beiden
sofort stellen, vielleicht würden sie sie dann

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